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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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versucht hat, mich um die Ecke zu bringen.«
    Ich lehnte mich zurück, um ihm ins Gesicht zu sehen, und zum millionsten Mal fiel mir auf, wie leuchtend blau seine Augen waren. Und was für einen phantastischen Kontrast sie zu seiner hellen Haut und den schwarzen Stachelhaaren bildeten. »Wovon redest du eigentlich?«
    Â»Also, lass mich mal nachdenken. Wie wär’s mit damals, als er auf dem Hazledown Hill vor irgendeinem Radfahrer gescheut, einen Riesensatz gemacht, sich in der Luft um hundertachtzig Grad gedreht hat und dann direkt vor dem neuen Cabrio von unserem Pfarrer über die Straße tobte und den Hügel runtergeprescht ist,
während du aus vollem Hals gebrüllt hast: ›Halt an! Parier den Scheißer doch durch!‹«
    Â»Er mochte Fahrräder nicht.«
    Â»Ich danach auch nicht mehr besonders.«
    Ich lachte, etwas, was ich mir noch vor einer halben Stunde nicht hätte vorstellen können. In meinem ganzen Leben hat niemand mich jemals so zum Lachen bringen können wie Duncan. Ich hatte mich aus einer ganzen Reihe von Gründen in Duncan verliebt: weil sein Grinsen ein bisschen zu breit für sein Gesicht zu sein scheint, weil er so unglaublich schnell laufen kann, wegen seiner absoluten Weigerung, sich selbst ernst zu nehmen, weil anscheinend jeder ihn gern hat und er wiederum jeden mag, am meisten aber mich. Wie gesagt, es gab jede Menge Gründe, wieso das Ganze angefangen hatte, doch es war sein Lachen, das mich bei der Stange hielt.
    Â»Und was war damals, als wir durch den Kennet geritten sind und er beschlossen hat, sich zu wälzen?«
    Â»Ihm war heiß.«
    Â»Und deswegen hat er mir ein kaltes Bad verpasst. Ach ja, und –«
    Â»Okay, okay, ich hab’s kapiert.«
    Seine Arme schlossen sich fester um mich. »Es tut mir trotzdem leid.«
    Â»Ich weiß. Danke.«
    Duncan schob mich von sich weg, und wir sahen uns in die Augen. Dann strich er mir mit der Handkante übers Gesicht. »Alles klar?« Er sprach nicht mehr von Jamie.
    Ich nickte. »Ich glaube schon.«
    Â»Willst du drüber reden?«
    Â»Ich glaube nicht, dass ich das kann. Was sie mit ihr gemacht haben, Duncan … Ich kann nicht.« Ich war nicht in der Lage weiterzusprechen, über das zu reden, was ich gesehen hatte. Doch das hieß nicht, dass ich aufhören konnte, darüber nachzudenken. Ich war mir nicht sicher, ob ich es jemals schaffen würde, nicht mehr darüber nachzudenken.

    In den ersten Tagen nach einer Geburt – besonders nach der ersten – sind Frauen ungemein verwundbar, oft körperlich und seelisch völlig am Ende. Ihr Körper ist geschwächt, sie sind durch das Trauma der Niederkunft und wild gewordene Hormone völlig durcheinandergeraten und durch das Stillen zu jeder Tages- und Nachtzeit bald erschöpft. Außerdem müssen sie erst noch das Gefühl der überwältigenden Verbundenheit mit diesem kleinen Geschöpf verarbeiten, das sie da geboren haben.
    Es gibt gute Gründe dafür, dass frischgebackene Mütter aussehen wie Zombies und sich auch so benehmen, dass sie bei jeder Kleinigkeit in Tränen ausbrechen und befürchten, kein normales Leben mehr führen zu können. Sich einer Frau in diesem Zustand zu bemächtigen, sie festzuhalten und ihr etwas ins Fleisch zu ritzen, war die schlimmste Rohheit, die ich mir vorstellen konnte.
    Duncan brummte beruhigend und zog mich wieder an sich. Es schien, als stünden wir sehr lange so da, ohne zu reden. Dann, aus reiner Gewohnheit, hob ich einen Finger und strich über seinen Nacken. Das Haar dort war erst vor kurzem geschnitten worden und sehr kurz. Es fühlte sich an wie Seide.
    Er schauderte. Nun ja, er war ja auch vier Tage lang fort gewesen. »Die Polizei wird mit dir reden wollen«, sagte ich und richtete mich auf. Ich hatte Hunger und musste dringend in die Badewanne.
    Duncan ließ die Arme sinken. »Das haben sie schon getan.« Er ging zum Kühlschrank und öffnete die Tür; dann hockte er sich hin und spähte hinein, eher hoffnungs- als erwartungsvoll.
    Â»Wann denn?«, fragte ich.
    Â»Wir haben alles am Telefon erledigt«, meinte er. »Dunn hat gesagt, wahrscheinlich bräuchten sie mich nicht mehr damit zu behelligen. Höchstwahrscheinlich ist sie vergraben worden, bevor wir hergezogen sind.«
    Â»Sie haben sich nach den Vorbesitzern erkundigt.«
    Â»Ja, ich weiß. Ich

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