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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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mich an, doch ich glaubte nicht, dass er mir noch zuhörte.
    Â»Was ist?«, fragte ich.
    Â»Gifford«, antwortete er. Das Leuchten war aus seinen Augen verschwunden.
    Â»Mein neuer Chef. Er ist wieder da. Ich habe ihn gerade kennengelernt.« Den Drink zu erwähnen, schien mir keine gute Idee zu sein.
    Duncan stand auf, kippte den Inhalt seines Glases – reines Shetlandwasser – ins Spülbecken und füllte es mit zwei Fingerbreit unverdünntem Talisker. Beim Trinken schaute er aus dem Fenster, mit dem Rücken zu mir.
    Â»Ich werde das Gefühl nicht los, dass es da eine Geschichte gibt«, bemerkte ich.
    Duncan antwortete nicht.
    Â»Irgendwas, was ich wissen sollte?«, versuchte ich es noch einmal.
    Duncan knurrte etwas, was mehr als ein Schimpfwort sowie den Halbsatz »hätte es wissen müssen« enthielt. Im Gegensatz zu mir flucht er fast nie. Mittlerweile war ich neugierig, schändlich und schadenfroh neugierig.
    Er drehte sich um. »Ich gehe in die Badewanne«, verkündete er, als er die Küche verließ.
    Ich zwang mich, zehn Minuten zu warten, ehe ich ihm folgte. Währenddessen schlenderte ich ins Wohnzimmer zurück. Dort stand ein Bücherregal mit eher spärlichem Inhalt. Ich lese eigentlich nicht besonders viel. Duncan erzählt jedem, der es hören will, dass ich niemals einen Roman anrühren würde, der nicht von jemandem namens Francis geschrieben wurde (Dick oder Claire – Sie können es sich aussuchen). Bei Duncan sieht es etwas besser aus, aber mit den Klassikern hat er es auch nicht gerade. Allerdings hatte er die Bibliothek seines Großvaters geerbt, und ganz oben im Regal standen ein paar Bände von Dickens, Trollope,
Austen und Hawthorne. Ich schaute genauer hin. Nichts von Walter Scott.
    Also schaltete ich den Fernseher ein, als gerade die Spätnachrichten begannen. Wenn ich auf eine Hauptrolle gehofft hätte, wäre ich enttäuscht gewesen. Die letzte Meldung war ein Zwanzig-Sekunden-Beitrag über die Entdeckung einer Leiche in einem Torfgelände ein paar Kilometer von Lerwick entfernt. Der Fundort wurde nicht genauer bezeichnet, ebenso wenig wurden Aufnahmen von unserem Haus gezeigt. Stattdessen hatte DI Andy Dunn vor dem Polizeipräsidium von Lerwick das absolute Minimum an Kommentar abgegeben, das unter Verwendung von Worten möglich war. Immerhin endete er mit einer spekulativen Bemerkung über die Möglichkeit eines archäologischen Fundes – wahrscheinlich war das Ganze ausgeheckt worden, bevor wir uns mit Stephen Renney trafen. Es war ein offensichtlicher Versuch, die Situation herunterzuspielen, doch ich vermutete, dass er wusste, was er tat.
    Als meiner Schätzung nach genug Zeit verstrichen war, ging ich nach oben. Duncan lag mit geschlossenen Augen in der Wanne. Er hatte sie so volllaufen lassen, dass das Wasser in den Überlauf gluckerte. Aus Erfahrung wusste ich, dass die Wassertemperatur bestimmt nahe bei vierzig Grad lag. Duncan und ich badeten niemals zusammen. Ungefähr ein Jahr zuvor, vor den Spermientests, hatte ich überlegt, ob Duncans heiße Bäder dahintersteckten, dass ich nicht schwanger wurde. Die Wirkung von heißem Wasser auf Spermien ist bekannt, und ich hatte vorgeschlagen, dass er seine Hoden jeden Tag fünf Minuten lang in Eiswasser baden solle. Er hatte mir unverwandt in die Augen geblickt und gefragt: »Und wie?« Ich dachte immer noch darüber nach. Vielleicht würde ich eines Tages ein Gerät zum mühelosen Einweichen der männlichen Genitalien erfinden. Die Fruchtbarkeitsrate der westlichen Welt würde in die Höhe schnellen und ich ein Vermögen verdienen.
    Ich lehnte mich ans Waschbecken. Duncan ließ durch nichts erkennen, dass er mich bemerkt hatte.
    Â»Weißt du, du kannst es nicht einfach dabei belassen. Ich muss
mit dem Mann zusammenarbeiten. Wahrscheinlich wird von uns erwartet, dass wir ihn und seine Frau in den nächsten paar Monaten irgendwann mal zum Abendessen einladen.«
    Â»Gifford ist nicht verheiratet.«
    Ich verspürte das Aufzucken von etwas Ähnlichem wie Erleichterung, gemischt mit Erschrecken. Hatte ich Andeutungen gemacht? Und wenn ja, hatte Duncan es mitgekriegt?
    Â»Was ist?«, versuchte ich es abermals.
    Duncan öffnete die Augen, sah mich jedoch nicht an. »Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ich konnte ihn nicht leiden. Das beruhte auf

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