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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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spürte, fing an herumzuspringen und zu -tänzeln. Dann flog eine Trottellumme dicht an uns vorbei, so dass er scheute und ins Wasser auswich. Henry war schon oft durch Wellen geritten worden, gar nicht zu reden von Flüssen, Bächen und Teichen, und es gab überhaupt keinen Grund, warum das Gefühl von Wasser um seine Hufe ihm etwas ausmachen sollte. Doch aus irgendeinem Grund war es so. Er fing an zu bocken und auszuschlagen, drehte sich im Wasser und geriet tiefer hinein. Es bestand die Gefahr, dass er wegrutschte und ich aus dem Sattel flog. Ich nahm die Zügel kürzer und parierte ihn scharf durch. »Hör auf damit!«, fauchte ich und wendete ihn, so dass der Strand vor ihm lag und der Weg aus dem Wasser heraus. Er ging seitwärts und noch weiter zurück.
    Mäßig beunruhigt trieb ich ihn heftig vorwärts und bereute es, keine Gerte mitgenommen zu haben. Ich zog seinen Kopf hoch
und trat noch einmal zu. Er schoss nach vorn, gerade als ich einen Mann oben auf der Klippe stehen sah, der zu uns herabstarrte.
    Gifford, war mein erster Gedanke, doch es war unmöglich, es mit Sicherheit zu sagen. Die Klippen lagen östlich von uns, die Sonne stand noch tief, und der Mann war nicht viel mehr als ein Schatten, der einen Bruchteil des frühmorgendlichen Lichts verdeckte. Er wirkte groß und breit, und sein Haar, lang und offen, schien wie Gold zu schimmern. Die Sonne tat meinen Augen weh, und ich schaute kurz weg, kniff sie zusammen, um die Helligkeit auszusperren. Als ich sie wieder öffnete, war der Mann fort.
    Ich trieb Henry aus den Wellen und ließ ihn entlang des Strandes tüchtig ausschreiten. Bis nach Hause waren es über drei Kilometer, und ich musste noch Charles reiten.
    Â 
    Charles befand sich nicht in einer Verfassung, in der man ihn hätte reiten können.
    Weil er Henry vermisst hatte und es keinen Jamie mehr gab, um ihn ruhig zu halten, war er in Panik geraten, über einen Zaun ins Nachbarfeld gesprungen, dort gestolpert und in den Bach gefallen, der durch unser Grundstück fließt. Das wäre an und für sich nicht so schlimm gewesen, doch beim Rutschen hatte er einen alten Stacheldrahtzaun umgerissen, dessen Draht sich um sein linkes Hinterbein gewickelt hatte. Das am wenigsten vernünftige meiner Pferde saß in einem Bach fest, während sich mehrere scharfe Metallstacheln in sein Fleisch bohrten. Kein Wunder, dass er mit den Nerven am Ende war. Er rollte die Augen, und sein graues Fell war dunkel vor Schweiß.
    So schnell ich konnte, sattelte ich Henry ab und schob ihn auf die Weide. Als er Charles’ Panikwiehern hörte, rannte er zum Zaun und begann, nach ihm zu rufen. Pferde stoßen einen ganz bestimmten wiehernden Laut aus, wenn sie verletzt oder verängstigt sind. Das ist ein Geräusch, das man zum Glück nicht oft zu hören bekommt, denn es geht einem durch Mark und Bein; so ähnlich, wie ich es mir beim Schreien eines Kindes vorstelle, das
vor Angst ganz außer sich ist. Charles’ Wiehern wurde lauter, und er begann zu zerren und auszuschlagen.
    Mir war klar, dass ich Charles nicht ohne Drahtschneider würde befreien können, also machte ich kehrt und rannte zurück ins Haus. Ich trug ein paar alte grüne Gummistiefel, die noch vom letzten Tragen – bei Jamies jäh abgebrochener Beerdigung – voller Schlamm waren. Der Schlamm war getrocknet und fing an, auf den Teppich zu bröckeln, als ich die Treppe hinaufstürmte, in das unbenutzte Zimmer, in dem Duncan sein Werkzeug aufbewahrte. Ich fand eine Zange, schnappte mir dann zur Sicherheit noch eine andere, stärkere, und hastete wieder nach unten. Auf der vierten Stufe rutschte ich aus und stürzte, knallte mit dem Steißbein hart auf die Stufe. Es tat weh, doch ich zwang mich aufzustehen und in Bewegung zu bleiben.
    Als ich nach draußen rannte, sah ich, dass Charles und Henry sich gegenseitig verrückt machten. Henry war drauf und dran, über den Zaun zu springen und sich zu Charles zu gesellen. Er hätte angebunden werden müssen, doch ich hatte einfach keine Zeit, ein Halfter zu holen und ihn einzufangen. Blut lief an Charles’ Bein hinunter. Selbst wenn es mir gelang, ihn zu befreien – und in Anbetracht seines Zustands schien das immer unwahrscheinlicher  –, war sein Bein wahrscheinlich irreparabel verletzt. Ich würde doch nicht innerhalb von zwei Wochen zwei Pferde verlieren?
    Ich

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