Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
Möglicherweise Gälisch oder irgendein obskurer Shetlanddialekt. Charles zitterte, noch immer außer sich, ansonsten jedoch hielt er vollkommen still. Dies war meine Chance. Wenn ich schnell war, könnte es mir gelingen, die beiden letzten Drähte durchzuschneiden. Ich musste es gleich tun, denn Gifford würde Charles nicht lange halten können. Doch ich muss mich wohl in einem Schockzustand befunden haben, denn ich rührte mich noch immer nicht.
    Â»Die Zange liegt hinter Ihrem Kopf, ein Stückchen links von Ihnen«,
sagte Gifford, ohne sich aus der engen Umarmung mit dem Pferd zu lösen. Seine Linke umklammerte noch immer Charles’ Mähne, mit der Rechten streichelte er ihm mit kurzen, schnellen, festen Bewegungen den Hals. Ein wenig hatte dieses Streicheln etwas Hypnotisierendes an sich. »Los, nehmen Sie sie«, wies er mich an, und ich drehte mich um. Lang auf dem Bauch liegend, griff ich nach der Zange, dann schob ich mich vor, dichter an das Hinterbein des Pferdes heran. Charles schauderte, und Gifford begann wieder mit seinem leisen, gälischen Sprechgesang. Ich verbannte das, was jeden Augenblick auf mich niederkrachen, mir das Rückgrat brechen und mich für den Rest meines Lebens zum Krüppel machen konnte, aus meinem Kopf und streckte die Arme aus. Die Zange in beiden Händen, fasste ich den nächsten Drahtstrang und schnitt ihn durch. Ohne innezuhalten und nachzudenken, packte ich den dritten und drückte zu. Mit einem hohen, sirrenden Geräusch, das im ganzen Voe widerzuhallen schien, sprang er entzwei.
    Â»Raus da!«, rief Gifford, und ich rollte mich wieder und wieder herum, bis ich mich meiner Schätzung nach in sicherer Entfernung befand. Dann schaute ich zurück und sah, dass Gifford Charles aus dem Graben gezerrt hatte und sich abmühte, ihn festzuhalten. Endlich aus der schmerzhaften Schlinge befreit, wollte Charles nur noch davonpreschen, doch damit kam er bei Gifford nicht durch. Er umklammerte Charles’ Hals, wurde durch die überlegene Körperkraft des Pferdes hierhin und dorthin geschleudert und murmelte ihm die ganze Zeit leise Worte ins Ohr. Nach einer oder zwei Minuten gab Charles auf. Er sackte zusammen und schien sich gegen Gifford zu lehnen.
    Es war schlicht und einfach unbeschreiblich. Natürlich hatte ich von Leuten gehört, die unheimliche Fähigkeiten besaßen, Tiere zu beruhigen. Ich hatte den Film Der Pferdeflüsterer gesehen und war sogar so weit gegangen, das Buch halb durchzulesen, doch im wirklichen Leben hatte ich dergleichen nie erlebt.
    Â»Tora, könnten Sie vielleicht herkommen?«, rief Gifford. Er klang halb gereizt und halb belustigt. Mühsam kam ich auf die
Beine und schaute mich nach der Zange um, die mir aus der Hand gefallen war, als ich mich aus dem Graben rollte. Sie war nirgends zu sehen, doch die andere, kleinere lag ganz in der Nähe. Ich hob sie auf, warf einen nervösen Blick zu Gifford hinüber – ich war mir nicht sicher, wie lange dieser Hokuspokus, den er da abzog, wirken würde – und ging auf Charles zu. Er gab bereitwillig den Hinterfuß, wie bei einem ganz normalen Termin beim Hufschmied.
    Langsam und vorsichtig zwickte ich an dem Draht um Charles’ Bein herum. Fünf Schnitte, und er fiel ab. Ich hob die Stücke auf, trat zurück, und Gifford ließ los. Charles bäumte sich auf, bockte und galoppierte auf den Zaun zu, von wo aus Henry das Geschehen mit wachsender Ungeduld verfolgt hatte. Nach ein paar Galoppsprüngen fiel Charles in Schritt. Er lahmte, konnte das verletzte Bein aber belasten. Ich begann zu hoffen, dass es vielleicht doch nicht so schlimm sei.
    Â»Wie haben Sie das gemacht?«, fragte ich, ohne den Blick von Charles abzuwenden. »Mich hat er nicht an sich rangelassen.«
    Â»Sie hatten mehr Angst als er«, antwortete Gifford. »Das konnte er spüren, und das hat ihn noch wilder gemacht. Ich hatte keine Angst, und ich habe mich nicht einschüchtern lassen.«
    Das klang logisch. Pferde sind Herdentiere, die einem starken Anführer folgen – sei es nun ein Pferd oder ein Mensch. Pferde wissen gern, wer der Boss ist.
    Â»Und ich habe ein bisschen Hypnose angewendet. Nur um ihn zur Ruhe zu bringen.«
    Das klang nicht logisch. Ich drehte mich um und starrte Gifford an.
    Â»Tiere sind sehr empfänglich für Hypnose«, beteuerte er. »Besonders Hunde und Pferde.«
    Â»Das soll wohl

Weitere Kostenlose Bücher