Todespakt
weiterhin ein, dass es im Grunde richtig ist, was ich tue. Dennoch sehe ich diese Zweifel in meinen Augen, denen es immer schwerer fällt, mich im Spiegel zu betrachten.« Er führte die Kanüle in eine Öffnung des Schlauches und füllte den Zylinder der Spritze mit Säure. Anschließend verweilte sein Blick prüfend auf Herrmann. »Bei Ihnen sehe ich nichts dergleichen. Ich bin mir mittlerweile sogar sicher, dass es nicht einmal einen rationalen Grund für Ihren Hass gibt. Sie sind lediglich getrieben von dem Gedanken, etwas zu zerstören. Und dank Ihnen muss ich mir eingestehen, dass ich selbst so geworden bin.«
»Hören Sie endlich auf zu schwafeln und tun Sie, was sie versprochen haben«, schrie Herrmann vor Schmerz und Wut.
»Tut mir leid, aber das kann ich nicht. Ich kann nur noch versuchen, es aufzuhalten.«
Mit einer schnellen Bewegung stieß der Mann die Nadel der Spritze in Herrmanns linke Brusthälfte und drückte den Kolben bis zum Anschlag nieder.
46
»Schon was gefunden?«, fragte Rokko, als er wieder im oberen Stockwerk von Herrmanns Haus eintraf, nachdem er über Funk die Zentrale verständigt hatte.
Chris schüttelte den Kopf. Er saß an einem Schreibtisch im Wohnraum und starrte auf den Bildschirm darauf. »Der Computer ist passwortgeschützt. Aber ein intelligenter Mann wie Herrmann dürfte wohl kaum so einfältig sein, darauf etwas aufzubewahren, was ihn belasten könnte.«
»Irgendwie muss er ja mit seinen Leuten in Kontakt getreten sein.«
»Es gibt genügend Möglichkeiten, verschlüsselt über das Internet zu kommunizieren. Das dürfte kaum zurückzuverfolgen sein.« Er schaltete den Computer aus und stand auf. »Aber mir ist etwas anderes aufgefallen.« Er deutete auf ein gerahmtes Foto auf dem Schreibtisch. Darauf war Herrmann mit einer Frau zu sehen. »Sagtest du nicht, er lebt allein?«
»Die Aufnahme muss schon älter sein. Darauf hat Herrmann noch durchgehend dunkles Haar.«
»Wir sollten das überprüfen. Was sagt die Zentrale?«
»Die Fahndung wird umgehend eingeleitet. Ich habe auch Deckert informiert. Es dürfte allerdings noch eine Weile dauern, bis die Spurensicherung hier auftaucht. Die sind im Moment mehr als ausgelastet. Ich habe daher die beiden Kollegen unten gebeten, die Garage und den Zugang zum Haus abzuriegeln.« Er sah auf die Uhr. »Was jetzt?«
Chris zuckte mit den Schultern. »Wir werden abwarten müssen, was die Fahndung ergibt. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann ...« Er wurde von seinem Handy unterbrochen, das den Eingang einer Bildnachricht verkündete. Als er sie öffnete, wurde ihm schlagartig klar, dass sich die Fahndung nach Herrmann erledigt hatte.
47
Als sie in die Stresemannstraße in Koblenz, unweit des kurfürstlichen Schlosses, einbogen, hatte sich eine kleinere Schar aus Schaulustigen vor dem Reichenspergerplatz gebildet. Ein Streifenwagen war bereits vor Ort, und die Kollegen hatten reichlich damit zu tun, die Stelle abzusichern und die Menschen vom Ort des Geschehens fernzuhalten.
Chris stellte den Wagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab und bahnte sich mit Rokko einen Weg durch die Ansammlung. Sie streckten einem der beiden Beamten ihre Ausweise entgegen und näherten sich der von prächtigen Bäumen gesäumten Grünfläche des Behördenviertels, auf der ein Mahnmal errichtet war. Es bestand aus zwei roten Sandsteinblockhälften, die sich über zwei Meter hoch vom sorgfältig gemähten Rasenboden erhoben. Sie wurden von vier ungeordnet angebrachten Stahlkäfigwinkeln eingegrenzt, die den Verlust von Freiheit symbolisierten.
Vor einer der beiden Blockhälften war Matthias Herrmanns Leiche abgesetzt worden. Seine Augen waren geöffnet und auf die zweite Blockhälfte gerichtet, die etwas versetzt zu der anderen stand, als würde er den eingemeißelten Text darauf studieren.
Rokko las die Inschrift, die groß über dem Kopf der Leiche in den Block eingraviert war: Gedenkt der Verfolgten, Geschundenen, Ermordeten. »Ein ziemlich symbolträchtiger Abgang«, bemerkte er sarkastisch, während er seinen Blick über die Gedenkstätte schweifen ließ, die für die Opfer des Nationalsozialismus errichtet worden war. Schließlich deutete er auf Herrmanns Geschlecht, das nur noch aus einer blutigen Masse bestand. »Auch er scheint vor seinem Tod gefoltert worden zu sein.«
Chris folgte dem starren Blick der Leiche, der auf den zweiten Block ausgerichtet war, auf dem die ersten fünf Artikel des Grundrechtes
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