Todespakt
Wendung ein.
»Wir haben einen Treffer«, sagte Rokko, als er das Büro betrat. In der Hand hielt er einige frische Ausdrucke.
Chris sah von seinem Monitor auf. »Inwiefern?«
Rokko legte einen der Ausdrucke vor Chris auf den Tisch. Darauf waren zwei Aufnahmen zu erkennen. Links das Bild des Toten, das sie veröffentlicht hatten. Die Aufnahme rechts davon zeigte einen dunkelhaarigen Mann von Anfang bis Mitte dreißig, der das Gebäude einer Anwaltskanzlei verlässt. Trotz der fehlenden Augen des Toten und seiner verwahrlosten Erscheinung fiel auf Anhieb eine deutliche Ähnlichkeit der beiden Personen auf.
»Woher stammt das Bild?«, fragte Chris.
»Von den Kollegen des BKA. Der Name des Mannes ist Rafael Matei. Er betreibt in Frankfurt eine Anwaltskanzlei für Finanz- und Steuerrecht. Keine Familie oder bekannte Beziehungen, daher hat ihn wohl auch niemand vermisst. In der Kanzlei sagte man mir, er wäre schon seit Tagen nicht mehr dort aufgetaucht, was aber nicht ungewöhnlich wäre, da er oft geschäftlich unterwegs sei.«
»Was hat das BKA mit dem Kerl zu tun?«
»In der dortigen Zentralstelle für Verdachtsmomente tauchte der Name Matei in mehreren Zusammenhängen auf. Es gab immer wieder Gerüchte, Matei habe Kontakte zur Unterwelt und betreibe in großem Stil Geldwäsche für kriminelle Organisationen. Allerdings erwiesen sich diese Anschuldigungen als haltlos. Die Indizien reichten nicht für ein Verfahren aus. Daher haben wir auch nichts über ihn in den Akten. Die Kollegen haben ihn aber damals gründlich unter die Lupe genommen und einen umfangreichen Lebenslauf zusammengestellt.« Rokko breitete mehrere Textausdrucke auf Chris' Schreibtisch aus. »Matei stammt aus Rumänien. Seine Mutter starb kurz nach seiner Geburt an Krebs, sein Vater wurde Opfer des Ceaușescu-Regimes. Er wurde von der Geheimpolizei verschleppt und ist nie wieder aufgetaucht. Matei war damals acht Jahre alt. Bis zur Jahrtausendwende lebte er in ärmlichen Verhältnissen bei seinen Großeltern. Dann ging er nach Prag und studierte an der dortigen Karls-Universität Jura.«
»Woher hatte er plötzlich das Geld dafür?«, fragte Chris.
»Scheinbar hatte er einen heimlichen Gönner, denn er lebte dort keineswegs bescheiden, besaß sogar ein eigenes Auto. 2005 machte er seinen Abschluss und kam nach Deutschland. Über das zweite Staatsexamen bekam er eine Zulassung als Anwalt.«
»Weshalb der Umweg? Warum hat sein unbekannter Gönner ihn nicht gleich in Deutschland studieren lassen?«
»An deutschen Universitäten herrscht der Numerus clausus. Und das bedeutet mitunter lange Wartezeiten auf einen Studienplatz. In Prag sieht man das wesentlich gelassener.«
»Also hatte es jemand ziemlich eilig, einen Anwalt aus ihm zu machen.«
Rokko nickte. »Vermutlich, um ihn für seine Zwecke einzuspannen.«
»Du meinst, er brauchte jemand, der sich in deutschem und internationalem Finanzrecht auskennt, um für ihn Gelder zu waschen.«
»Vermutlich nicht nur dazu.«
»Dann sollten wir herausfinden, wer der unbekannte Gönner ist.«
»Ich denke, das liegt auf der Hand«, meinte Rokko.
»Du redest von Victor Kiriac?«
Rokko nickte.
»Hast du auch was über ihn gefunden?«
»Kiriac ist in Mateis Alter. Er kam Ende der neunziger Jahre nach Deutschland und hat sich hier relativ schnell ein Vermögen aufgebaut. Er besitzt mehrere Firmen und hätte also durchaus die finanziellen Mittel gehabt, um für Mateis Studium aufzukommen. Und noch etwas ist auffällig«, sagte Rokko und deutete auf die Unterlagen vor Chris. »Kiriac und Matei haben beide ihre Väter durch das Regime verloren und beide stammen aus derselben Gegend in Rumänien. Es könnte also durchaus sein, dass sie alte Schulfreunde sind. Und ich möchte wetten, dass die Einbruchsserie, die hier zurzeit stattfindet, auf deren Kappe geht.«
»Dann scheint jemand keine Mühen und Skrupel zu scheuen, um Kiriacs Organisation zu zerschlagen.«
»Aber warum haben sie sich dann nicht gleich Kiriac vorgenommen?«
»Wenn du ein Gebäude zum Einsturz bringen willst, dann geht das am effektivsten, wenn du den Hebel am Fundament ansetzt und nicht an der Spitze«, sagte Chris. »Wenn die Kiriac beseitigen, rückt sofort jemand nach, und sie hätten nichts gewonnen. Also haben sie sich quasi seinen Buchhalter geschnappt. Als solcher kannte er sämtliche Strukturen der Organisation.«
»Du meinst, er hat ihnen Namen genannt?«
Chris nickte. »Das würde die Brutalität erklären, mit der die
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