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Todespakt

Todespakt

Titel: Todespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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dem Russen der Schädel aufgeplatzt ist?«, erwiderte der andere. »Ich dachte schon, wir dürfen sein Hirn auch von der Decke abkratzen.«
    Beide lachten.
    »Geht schon mal hoch«, rief Marius den beiden zu. »Ich muss mal aufs Klo.« Ohne eine Reaktion abzuwarten, verschwand er in einer der Türen auf der rechten Seite des Ganges. Er verharrte einen Moment, bis die Stimmen der beiden anderen sich entfernt hatten. Dann riss er den Klodeckel hoch und übergab sich. Es dauerte gut eine Minute, bis sich sein Magen beruhigt hatte und er sich erschöpft gegen die Wand sinken ließ. Er schloss die Augen und zählte in Gedanken seine Atemzüge. Eine Übung, die er sich über die Jahre angeeignet hatte und die er immer dann anwendete, wenn ihm wie jetzt die Kontrolle zu entgleiten drohte. Auf was hatte er sich da verdammt nochmal eingelassen? Diese Sache schien ihm über den Kopf zu wachsen. Langsam wusste er nicht mehr, auf wessen Seite er stand, kam sich vor wie ein Mann ohne Heimat. Er konnte das, was er gerade tatenlos mit angesehen hatte, noch immer nicht fassen. Die Bilder in seinem Kopf würden ihn noch lange verfolgen, ebenso wie die, die sich seit Jahren in seinem Kopf festgesetzt hatten und von denen er anfänglich geglaubt hatte, er könne sie einfach ausblenden. Dabei hatte vor einigen Jahren alles relativ harmlos für ihn begonnen. Ein paar Botengänge hier, ein paar Einbrüche dort ... Er hatte wie die meisten als sogenannte Ameise angefangen, hatte im Auftrag der Organisation Autos gestohlen und Nutzfahrzeuge. Meist in den Grenzgebieten, die eine schnelle Flucht ermöglichten. Schnelles Geld, das ihn geblendet hatte und ihm ein Leben ermöglichte, zu dem er sonst keine Chance gehabt hätte. Letztendlich kam niemand dabei zu schaden, jedenfalls nicht körperlich. Dementsprechend groß war sein Ehrgeiz gewesen, was man mit einem schnellen Aufstieg belohnte. Es dauerte nicht lange, und man stellte ein größeres Gebiet unter seine Verantwortung. Zunächst schleuste er nur Diebesgut über die Grenzen, später auch Menschen. Billiglohnkräfte. Aber vor allem junge naive Frauen, denen man ein besseres Leben im Westen versprach und die dann zur Prostitution gezwungen wurden. Man pferchte sie in Kellern ein, brach ihren Willen, indem man sie drogenabhängig machte. Dann wurden sie »eingeritten«, wie seine Leute es nannten. Er selbst hatte das ein paarmal getan, um vor seinen Männern als echter Kerl dazustehen. Als Vorbild. Doch es hatte ihn angewidert und ihm zum ersten Mal gezeigt, dass er einen Weg eingeschlagen hatte, für den er nicht geeignet war. Einige der Mädchen starben durch die Drogen, wurden entsorgt wie Abfall. Und die, die überlebten, wünschten sich in den meisten Fällen, sie wären ebenfalls tot. Marius war es zunehmend schwerer gefallen, vor seinen Leuten den harten Kerl zu geben, der er im Grunde nicht war. Zwar durfte er diese Schwäche nicht nach außen dringen lassen, doch ließ sich dies auf Dauer nicht vermeiden. Er wurde immer verschlossener, fühlte sich zunehmend dieser Hilflosigkeit ausgesetzt, die ihn dazu zwang, nicht einzugreifen, es nicht zu verhindern.
    So wie an diesem Abend.
    Wie so oft zuvor hatte er keine andere Wahl gehabt. Hätte er sich eingemischt, wäre er jetzt vermutlich ebenso tot wie die beiden Kerle in Victors Keller. Er hatte sich in der Zeit seiner Grenztätigkeiten Kenntnisse in den Sprachen Deutsch und Englisch angeeignet, weshalb man ihn zur Verstärkung hierher entsandt hatte. Inoffiziell war man vermutlich eher der Auffassung, ihm unter Victors harter Hand seine Schwächen austreiben zu können. Ebenso wie bei den jungen Frauen, wollte man auch ihn auf diese Weise gefügiger machen und ihm seine Zweifel austreiben. Doch hatten sie ihm damit unbewusst die Chance des Ausstiegs eröffnet. Und nun Bestand für ihn die Hoffnung, dass diese Grausamkeiten bald vorbei sein würden. Die Organisation schickte einen ihrer mächtigsten Mitglieder hierher, von denen er wusste. Dragan. Der Name war unter den Männern ebenso gefürchtet wie geachtet. Es hieß, er wäre der Handlanger vom großen Boss, den niemand kannte. Er musste diese Neuigkeit daher dringend weiterleiten. Doch das wurde zunehmend schwieriger. Victor hatte ihnen ein striktes Handyverbot erteilt, aus Angst vor Abhörung und Überwachung. Seit die Morde begonnen hatten, wurde er zunehmend paranoider. Und das Auto vor dem Haus machte es noch schlimmer. Aber sofern die Kerle darin tatsächlich Polizisten

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