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Todespakt

Todespakt

Titel: Todespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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Demütigung, findet heute mehr oder weniger in den Medien und auf virtueller Ebene statt. Nur dass man es heute Unterhaltung oder Mobbing nennt. Allerdings werden diese Praktiken heute nicht mehr durch eine Rechtsprechung verhängt, sondern können im Prinzip jeden treffen. Speziell das Internet eröffnet uns heutzutage ein Stück dieser Ursprünglichkeit, in der man sich scheinbar alles erlauben darf. Es hat einen weltweiten Wirkungskreis und kann nahezu jeden Menschen in jedem Alter zum Gespött machen. Und nun frage ich Sie: Welches Zeitalter ist das schlimmere?«
    »Ich weiß sehr gut, worauf Sie hinauswollen«, gestand Chris, »aber genau aus diesem Grund sollten Sie nicht so tun, als ginge Sie das alles nichts an.«
    Klose lehnte sich zurück. »Ich war schon immer ein sehr pragmatischer Mensch, Herr Kommissar. Mag sein, dass diese Eigenschaft in all den Jahren, in denen ich gelehrt habe, ausgeufert ist. Das bedeutet aber keineswegs, dass mich solche Dinge kalt lassen. Ich habe wohl nur die Fähigkeit verloren, solche Gefühle nach außen zu tragen. Wenn sie sich ihr Leben lang mit der Vergangenheit beschäftigt haben, verlieren sie irgendwann den Bezug zur Gegenwart.«
    »Vielleicht könnten Sie mich besser verstehen, wenn sie sehen würden, mit welcher Gegenwart ich mich die meiste Zeit beschäftigen muss.«
    »Ich dachte, das tue ich gerade.«
    »Nein, sie sehen nur die nüchternen Fakten, das Resultat. Ich muss die Motive hinterfragen und mich mit den Folgen beschäftigen. Das ist mitunter sehr zermürbend.«
    »Womöglich lassen Sie solche Dinge zu nahe an sich heran. Sie sollten mehr Abstand gewinnen.«
    Chris sah auf die Uhr. »Heute ist Freitag, nicht wahr?«
    Klose nickte irritiert.
    »Kommen Sie«, sagte Chris und erhob sich. »Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen.«
     
    Die Fahrt dauerte nur wenige Minuten. Chris stoppte den Wagen am Ende der langgezogenen Straße, etwas abseits des Parkplatzes, der zum gegenüberliegenden Friedhof der Stadt gehörte.
    Klose sah sich verwundert um. »Ein merkwürdiger Ort, um mir jemanden vorzustellen. Was wollen wir hier?«
    »Ich will Ihnen zeigen, dass es nicht immer möglich ist, solche Dinge auszublenden.« Erneut sah Chris auf die Uhr. »Wir warten«, sagte er knapp.
    Knapp zwanzig Minuten später bog ein Wagen in die Straße ein und steuerte den Parkplatz an. Ein Mann stieg aus, Mitte fünfzig, schlanke Statur, dunkle Jeans und Jackett. Er öffnete das Heck des umgebauten Vans, der über eine elektrische Rampe verfügte. Kurz darauf schob er eine blasse, reglose Frau in einem Rollstuhl über die Straße in Richtung des Friedhofs.
    »Das sind Peter Bernardi und seine Tochter Simone«, erklärte Chris. »Zusammen mit seiner Frau Doris waren sie bis vor zwei Jahren noch eine gesunde und glückliche Familie. Die Bernardis besaßen ein millionenschweres Internetunternehmen und führten ein erfülltes Leben.«
    Klose betrachtete die beiden eingehender. »Was ist passiert?«
    Chris atmete durch. »Es sind nicht die Folgen eines selbstverschuldeten Unfalls, die sie dort sehen. Es ist das Resultat einer Entführung. Simone Bernardi war damals siebzehn Jahre alt und stand kurz vor ihrem Abitur. Sie wurde auf dem Nachhauseweg von mehreren maskierten Männern auf einer öffentlichen Straße in einen Kleintransporter gezerrt. Dennoch gelang es den Tätern, unerkannt mit ihr zu entkommen.«
    Klose nickte. »Ich erinnere mich vage an den Fall. Ich habe damals in der Zeitung darüber gelesen, es aber nicht weiter verfolgt. Wie Sie wissen, interessiere ich mich mehr für die Vergangenheit.«
    »Wie auch immer«, überging Chris diese Anmerkung, »noch am selben Tag ging bei den Bernardis eine Lösegeldforderung ein. Gleichzeitig drohten die Täter, sie würden die Tochter qualvoll sterben lassen, wenn sie die Polizei einschalten. Sie untermauerten ihre Drohung, indem sie dem Erpresserbrief das blutverkrustete Lippenpiercing der Tochter beilegten. Natürlich war Bernardi bereit, das Geld zu zahlen. Die Täter wiesen ihn an, zu einer bestimmten Tageszeit eine gewisse Autobahnstrecke entlangzufahren. An einer gut sichtbar markierten Stelle sollte er die Tasche mit dem Geld aus dem fahrenden Auto werfen, was er auch tat. Doch danach meldeten sich die Täter nicht mehr. In der folgenden Nacht fand ein Autofahrer Simone Bernardi auf einem kleinen Rastplatz in der Nähe von Frankfurt, wo die Täter sie einfach abgelegt hatten. Was genau sich in den Stunden dazwischen abgespielt

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