Todesqual: Thriller
Schamhaare kam eigentlich nicht vor.
»Sind Ihre Berichte digitalisiert?«, fragte er.
»Nein«, sagte Lena.
»Dann möchte ich Sie bitten, mir eine Kurzzusammenfassung jedes Falls zu mailen. Nur die wichtigsten Punkte. Aber achten Sie darauf, dass alles drinsteht, was wir gerade besprochen haben. Das Gleiche gilt für Dr. Bernhardts Beobachtungen. Fügen Sie die Fotos der Opfer bei. Außerdem interessiere ich mich für Aufnahmen von den Tatorten, bevor etwas angerührt wurde. So, wie der Täter die Opfer für Sie hinterlassen hat. Außerdem wäre es nett, wenn Sie alles, was Sie mir schicken, auch an Teddy Mack weiterleiten könnten.«
Lena notierte sich den Namen. Während Dr. Westbrook ihr auch E-Mail-Adresse und Mobilfunknummer diktierte, fragte sie sich, warum ihr der Name so bekannt vorkam.
»Sie sollten Teddy anrufen und Ihre Mail ankündigen. Momentan hält er sich in Kalifornien auf, und zwar etwa drei Stunden südlich von L. A. im Grenzgebiet am New River. Wir arbeiten dort an einer Sache, über die ich nicht sprechen darf. Aber ich glaube, er wird die Zeit haben, einen Blick auf Ihr Problem zu werfen. Tagsüber ist in der Wüste nämlich nicht viel los – oder es passiert zumindest nichts, was uns etwas anginge.«
Lena sah zu Rhodes hinüber, der an seinem Schreibtisch saß und die Mordakte López studierte. Seine tiefe Konzentration machte sie ein wenig traurig. Während sie alle verzweifelt nach einer Lösung suchten, schien Westbrook sie abwimmeln und an einen gewöhnlichen FBI-Agenten verweisen zu wollen.
Dennoch dankte sie dem Psychiater höflich für seine Bemühungen und begann mit dem Bericht. Das Schreiben der beiden Zusammenfassungen nahm nur zwanzig Minuten in Anspruch. Anschließend rief sie Lamar Newton an und bat ihn, ihr die Tatortfotos zu mailen. Sobald die Dateien auf ihrem Bildschirm erschienen, kramte sie Teddy Macks Mobilfunknummer hervor und wählte. Kaum hatte es geläutet, als die Nachricht schon auf die Mailbox weitergeleitet wurde. Allerdings hatte Mack die Ansage wenigstens persönlich aufgesprochen, und während Lena lauschte, fragte sie sich wieder, wo sie seinen Namen schon einmal gehört haben mochte.
Sie hinterließ eine kurze Nachricht und ihre Kontaktdaten, legte auf und betrachtete dann die von Lamar ausgewählten Fotos auf ihrem Bildschirm. Das Grauen in Farbe. Jedes Foto sagte mehr, als Worte es je vermocht hätten, und würde vermutlich auch einen Fachmann von der Abteilung für Verhaltensforschung des FBI nicht kalt lassen.
Nachdem sie die E-Mail-Adressen noch einmal überprüft hatte, klickte sie auf SENDEN und sah zu, wie ihr Bericht im Cyberspace verschwand. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es erst Viertel vor zehn war.
Upshaw hatte sich nicht mehr wegen des Computers der Brants bei ihr gemeldet. Aber da Lena ihn nicht drängen wollte, beschloss sie, ihm noch zehn Minuten zu geben, nahm ihre leere Kaffeetasse und ging zur Tür.
Im zweiten Stock hatte man die Wahl zwischen zwei Kaffeequellen. Die nächste Kaffeemaschine stand in der Putzkammer vor dem Büro des Captain zwischen Waschbecken und Wischmops. Die bessere Alternative befand sich auf dem Schreibtisch eines Detectives in der Abteilung für ungelöste Fälle, und zwar in einem Büro von der Größe eines Besenschranks am Ende des Flurs, in dem sich sechs Kollegen drängten. Doch als Lena auf der Schwelle stand, sah sie nur Rhodes mitten im Raum stehen und seine leere Kaffeetasse hochhalten.
»Sie sind umgezogen«, verkündete er. »Schluss mit dem Kaffee.«
Lena las den Zettel an der Tür. »Offenbar sitzen sie jetzt im vierten Stock. Eine bessere Bude.«
»Du meinst größer.«
»Ja, größer«, erwiderte sie. »Ich hatte ganz vergessen, wo ich bin.«
Da der neue Polizeipräsident den Personalschlüssel der Abteilung für ungelöste Fälle verdoppeln wollte, genügten die fünfzehn Quadratmeter nicht mehr. Schon nach drei Wochen hatte Lena gewusst, dass sie, ungeachtet der spartanischen Arbeitsbedingungen, irgendwann in diese Abteilung versetzt werden wollte. Die Detectives dort gehörten zu den besten und aufgewecktesten im ganzen Haus und hatten stets einen Scherz auf den Lippen, wenn sie mit ihrer leeren Tasse erschien. Außerdem war der Mord an ihrem Bruder ja noch immer nicht aufgeklärt, weshalb sie auch einen ganz persönlichen Bezug zu diesem Aufgabengebiet hatte. Die Abteilung für ungelöste Fälle war die letzte Chance für die Familien der Opfer, auf den Zug der Hoffnung
Weitere Kostenlose Bücher