Todesqual: Thriller
Selbstbedienungsrestaurant gleich um die Ecke von der Strandpromenade in Venice Beach. Seit Fellows ganz in der Nähe arbeitete, aß er meistens dort zu Mittag. Er hatte eine Schwäche für die italienische Küche. Außerdem hatte die alte Köchin ihm versichert, dass sie ausschließlich Bio-Zutaten und keine Fertigprodukte verwendete. Obwohl Finn anfangs nur ein- bis zweimal monatlich kam, fiel Fellows auf, dass sein Lieblingstisch den Mann offenbar magisch anzog. Der Tisch stand ein Stück abseits im Schatten zweier Palmen. Wegen seiner Lichtempfindlichkeit war Fellows auf diesen Tisch angewiesen. Und da er keinen Streit wollte, hatte er Finn gefragt, ob er sich dazusetzen dürfe. So waren sie ins Gespräch gekommen. Bald wurden Finns Besuche häufiger, und Fellows erkannte, dass er etwas gefunden hatte, das er schon sein ganzes Leben lang suchte: einen Menschen, mit dem er seine dunkelsten Geheimnisse teilen konnte. Jemanden, der ihn nie verurteilen, sondern ihn anfeuern würde. Einen Trainingspartner. Einen wahren Freund.
Finn griff nach der Stange und half ihm, sie aufs Gestell zu heben. Atemlos setzte Fellows sich auf und blickte sich im Gewichteraum um. Hier war er frei. Niemand starrte ihn an. Niemand lachte. Nicht einmal die Brünette, die Muskeln wie ein Kerl und Aknenarben hatte und auf der anderen Seite des Raums Fünfundzwanzig-Kilo-Hanteln stemmte. Finn hatte Recht behalten. Hier würden sie nicht auffallen.
Beinahe ruckartig fuhr Fellows bei diesem Gedanken hoch. Dann nahm er zehn Kilo von der Stange und legte sich wieder auf die Bank. Sich die Pyramide nach unten vorzuarbeiten war anstrengender als umgekehrt. Wenn es ihm zu viel wurde, brauchte er vielleicht einen Adrenalinstoß und würde an Harriet Wilson denken müssen. Und an das, was sie ihm angetan hatte.
»Willst du bestimmt nicht länger Pause machen?«, fragte Finn.
»Heute nicht. Wir gehen doch nachher noch auf die Rolle, oder?«
Aus irgendeinem Grund zögerte Finn. Er wirkte geistesabwesend. So, als sei er in Gedanken anderswo.
»Wir reden nach deinen Wiederholungen darüber«, sagte er. »Möchtest du einen Schluck Wasser?«
Fellows versuchte, seine Wut zu zügeln. »Mir geht es prima. Hilf mir mit den Gewichten.«
Finn griff nach der Stange und hob sie aus dem Gestell. Als Fellows die Gewichte übernahm und mit der nächsten Übungsreihe begann, sah er zu, wie sein Freund ihn beobachtete.
Finn hatte anscheinend keine Lust mehr – so viel stand fest. Fellows fragte sich nach dem Grund. Dabei musste Charles Burell doch bestraft werden. Das lag inzwischen doch auf der Hand. Außerdem hatte Fellows bereits sämtliche Vorbereitungen getroffen. Er hatte Burells Adresse ermittelt und das Haus sogar einige Male beobachtet. Abends war Burell meistens allein zu Hause, saß am Computer oder stand, heulend wie ein Schlosshund, an der Küchenspüle. Wenn der elende kleine Wicht Gesellschaft hatte, dann meistens eines seiner Filmsternchen, mit dem er es dann im Whirlpool trieb. Fellows hatte es geschafft, sich bis auf drei Meter an den Whirlpool anzuschleichen und, versteckt hinter einem Rankgerüst, zu lauschen, wie der Widerling sich unter animalischem Gestöhne und Geächze seinen täglichen Blowjob verpassen ließ. Da der Kerl und seine jeweilige Partnerin nur für die vor der Schiebetür aufgebaute Kamera posierten, schauten sie sich kein einziges Mal um und bemerkten deshalb nicht, dass sie beobachtet wurden. Interessanterweise beschäftigte Burell nie einen Kameramann. Bei jedem seiner Besuche hatte Fellows nur die Kamera, einsam auf einem Stativ, gesehen. Die Kabel, die ins Haus führten, speisten die Bilder direkt in seine abscheuliche Webseite ein.
Charles Burell war als Nächster dran, weil er es verdient hatte. Er profitierte von Harriets mangelndem Selbstbewusstsein. Seit mindestens zwei Monaten trieb er es schon mit ihr, und zwar so, dass die ganze Welt es sehen konnte. Sein Schicksal war besiegelt. Daran führte kein Weg vorbei.
Warum also konnte Fellows seinen Freund nicht überzeugen?
An seinem Geburtstag am vergangenen Donnerstag hatte Finn sich nicht lange bitten lassen. Ein einziger Satz und eine aus drei Wörtern bestehende Beschreibung ihrer Beute – Nikki Brant – hatte genügt.
Hastig absolvierte Fellows seine Übungen, legte die Stange zurück aufs Gestell und griff nach einem Handtuch. Der Spaß daran, die Pyramide zu beenden, war ihm verdorben.
»Wir müssen reden«, begann er.
»Worüber, Martin?«
»Du
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