Todesqual: Thriller
einen Tag gealtert. Er schüttelte den Kopf.
»Was ist?«, erkundigte sich Lena.
Er stand auf und fing an, seine Sachen zusammenzupacken. »So ein Fall lässt sich nicht mit kriminalistischen Methoden aufklären, Lena. Vielleicht erfahren wir, wie wir Romeo identifizieren könnten, sofern wir ihm je begegnen. Doch die Chancen stehen schlecht. Wir kriegen ihn nur, wenn er einen Fehler macht oder wenn wir ihn auf frischer Tat ertappen. Und das dauert möglicherweise noch einige Zeit.«
Lena verstand, worauf er hinauswollte, sagte aber nichts, denn ihrem Partner standen Enttäuschung und Hilflosigkeit ins Gesicht geschrieben. Nachdem er sich verabschiedet hatte und hinausgegangen war, lehnte sie sich zurück und ließ den Blick durch den leeren Raum schweifen. Man brauchte nicht viel Berufserfahrung, um zu erkennen, dass das Leben einer weiteren unschuldigen Frau der Preis war, den sie bezahlen mussten, um Romeo das Handwerk zu legen. Vielleicht würde es sogar noch zwei oder drei weitere Opfer bis hin zu Nummer neun und zehn geben. Und weder sie noch Novak konnten etwas dagegen tun.
Lena griff nach ihrem Aktenkoffer und drängte Niedergeschlagenheit und Panik zurück. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren. Während sie auf den Lift wartete, beschloss sie, vor der Heimfahrt noch ein wenig frische Luft zu schnappen und zu Fuß zum Blackbird Café zu gehen.
Die Türen öffneten sich. Rhodes stand allein im Aufzug. Vielleicht lag es am Funkeln in seinen Augen oder an ihrer Stimmung am heutigen Abend. Jedenfalls zögerte sie kurz, bevor sie eintrat und sich an die Wand lehnte. Er wandte sich ab und drückte den Knopf fürs Erdgeschoss. Lena bemerkte die Mordakte López und die abgewetzte Ledermappe unter seinem Arm und vermutete, dass er gerade der Kriminaltechnik im dritten Stock einen Besuch abgestattet hatte. Nachdem die Türen sich geschlossen hatten, vollführte er eine halbe Drehung, allerdings ohne Lena anzusehen. Da sie dachte, dass er etwas auf dem Boden ansah, folgte sie seinem Blick und stellte fest, dass er auf ihre Hand starrte. Er musterte sie eindringlich. Sie spürte, wie seine dunklen Augen ihre Finger entlang bis zur Handfläche und dann über Hüften und Beine glitten. Er zog sie mit Blicken aus.
Sie rührte sich nicht und schwieg.
Als sich die Tür im Parterre öffnete, bemerkte er es nicht sofort. Dann sah er ihr kurz in die Augen, trat auf den Flur hinaus und hastete davon.
29
M artin Fellows legte sich rücklings auf die Bank, hob die Stange vom Gestell und hörte die Gewichte klappern. Er hatte seine Grenze erreicht. Am liebsten hätte er aufgelacht, wusste aber, dass das gefährlich war. Also umfasste er die Stange fester und betrachtete die einhundertfünfzig Kilo, die da über seinem Kopf schwebten. Dann warf er einen Blick auf Mick Finn, seinen Freund und Trainingspartner.
»Fertig?«, fragte Finn.
Fellows nickte entschlossen.
»Dann will ich jetzt fünf Wiederholungen sehen, bevor wir wieder mit den Gewichten runtergehen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich das schaffe.«
Finn ließ los und nickte ihm zu. Nachdem Fellows die Gewichte ausbalanciert hatte, ließ er sie zur Brust sinken und drückte die Stange dann mit zusammengebissenen Zähnen in Richtung Decke. Seit seiner Jugend stemmte er drei Abende pro Woche Gewichte, anfangs im Keller zu Hause, bis Finn ihn überredet hatte, in ein Fitnessstudio zu gehen. Es war auch Finns Idee gewesen, das Gewicht zu steigern. Genauso wie er gesagt hatte, sie befänden sich nun im Training, sodass Fellows’ ohnehin bereits muskulöser Körper noch mehr Masse zusetzen müsse. Heute Abend arbeitete Fellows an der großen Pyramide. Er hatte mit zehn Wiederholungen zu einhundert Kilogramm angefangen und die Gewichte um jeweils zehn Kilo erhöht, während er die Wiederholungen um eine reduzierte, bis er an der Spitze angelangt war. Nach fünf Wiederholungen zu einhundertfünfzig Kilo waren fünf weitere Einheiten dran, bei denen kontinuierlich die Wiederholungen gesteigert und Gewicht zurückgenommen wurde, bis man wieder am Ausgangspunkt war.
Fellows konnte nicht anders, als seine Unterarme zu bewundern, die zitterten, als er die Gewichte erneut nach oben stemmte. Er fühlte sich mächtig und unbesiegbar. Wie eine optimal eingestellte Maschine, die sich unter dem aufmerksamen Blick seines treuen Trainingspartners weiter bewegte.
Sie hatten sich vor neun Monaten im Pink Canary kennengelernt, einem von einer italienischen Familie betriebenen
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