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Todesqual

Titel: Todesqual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ellis Karin Dufner
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Eine Viertelstunde lang würde alles so friedlich wirken.
    Natürlich war das alles nur Illusion. Eine Sinnestäuschung. Schließlich wusste Lena, dass Los Angeles die amerikanische Stadt mit der höchsten Mordrate war. Im letzten Monat waren über dreißig Tötungsdelikte verübt worden - mehr als eines pro Wochentag. Doch bei Morgengrauen war die Luft fast sauber, die Straßen wirkten beinahe ungefährlich, und Lena hatte noch eine halbe Stunde, bevor sie zur Arbeit musste.
    Als sie zurück zum Haus blickte, stellte sie fest, dass sie die Fliegengittertür an der Terrasse nicht geschlossen hatte. Doch anstatt aufzustehen, lehnte sie sich tief in den Liegestuhl zurück und ließ das Auge die Verandastufen hinauf, den Gartenpfad entlang und über die Fassade bis zu ihrem Schlafzimmerfenster im Erdgeschoss schweifen. Das Haus war nicht groß, aber es war ihr Anker in dieser Stadt und - bis auf ihren Beruf - das Einzige, was sie noch hier hielt. Vor fünf Jahren hatte sie es von ihrem Bruder David geerbt.
    Es war 1954 erbaut und damals vermutlich als moderne Version des kalifornischen Landhausstils bezeichnet worden. Doch wenn Lena die verwitterte Verkleidung aus Zedernholz, die Fensterläden und die weißen Kanten betrachtete, fand sie jedes Mal, dass es besser an einen Strand auf Cape Cod gepasst hätte als in die Hügel Hollywoods. Allerdings hatte die bunt zusammengewürfelte Konstruktion aus Holz und Glas es aus unerklärlichen Gründen geschafft, fünf Jahrzehnte lang dem zu trotzen, was man hier als »Jahreszeit« bezeichnete. Die Erdbebenzeit dauerte mehr oder weniger ganzjährig an, doch es gab auch noch die Waldbrandzeit, die Zeit für die Santa-Ana-Winde
und, wenn man Glück hatte, die Regenzeit, die die Stauseen füllte und der Hochwasserzeit voranging.
    David hatte das Haus gekauft. Denn seine und Lenas Eltern waren schon lange tot - beziehungsweise verschwunden -, weshalb er fest entschlossen war, falls das Geld reichte, ein Eigenheim zu besitzen, das ihm und seiner großen Schwester ein Zuhause sein sollte. Allerdings war für David weder die heimelige Ausstrahlung des Hauses noch die Aussicht auf die Stadt und das Tal ausschlaggebend gewesen, sondern das Grundstück, die Abgeschiedenheit und nicht zuletzt die Garage, ein einstöckiges Gebäude, das etwa fündundsiebzig Meter entfernt vom Hauptgebäude auf der anderen Seite der Auffahrt stand. Die »David Gamble Band« brauchte nämlich ebenso ein Zuhause wie der Bandleader und seine Schwester, und die Garage bot sich da geradezu an. Sobald die Anzahlung geleistet und die Verträge unterzeichnet waren, steckte David sein restliches Geld in das Projekt, das Nebengebäude in ein hochmodernes Tonstudio zu verwandeln. Im Begleitheft der dritten CD seiner Band war das Studio, sein ganzer Stolz, sogar abgebildet.
    Aber das war nun alles vorbei. Das Studio war still und dunkel, und zwar inzwischen schon seit fünf Jahren. Die dritte CD der Band war ihre letzte gewesen. Und David war gestorben, bevor er die Gelegenheit gehabt hatte, mit einer Tournee richtig Geld zu verdienen.
    Lena trank noch einen Schluck Kaffee. Obwohl sie das heiße Koffein im Magen spürte, wurde ihr Kopf davon nicht klarer. Gestern war ihr erster freier Tag seit über zwei Wochen gewesen, und seitdem spürte sie die Erschöpfung erst richtig. Außerdem dachte sie nicht gern an ihren Bruder. Sie vermisste ihn, und die Erinnerung tat noch viel zu weh.
    Lena war Einzelgängerin und hielt die Welt und ihre Mitmenschen auf Abstand. Gegen diese Gefühle war sie machtlos, und auch die Vergangenheit konnte sie nicht ungeschehen
machen. Dennoch befürchtete sie, dass sie einen zu großen Anteil ihres Gehalts in das Haus steckte. Zu viel Zeit in seine Pflege investierte. Dass sie dem Haus zu viel Macht über sich gab und sich daran klammerte, weil sie sich mit dem Tod ihres Bruders nicht abfinden wollte. Wie schön war es gewesen, als er noch lebte.
    Lena griff nach dem Unterhaltungsteil der Zeitung und beschloss, sich noch einmal an das Kreuzworträtsel zu wagen. Es war Freitag. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel steigerte sich im Laufe der Woche von Tag zu Tag. Lena hatte Spaß an der geistigen Herausforderung, weil sie dadurch abgelenkt wurde. Außerdem war sie eine geübte Rätsellöserin und benutzte, außer sonntags, stets einen Kugelschreiber, keinen Bleistift. Doch als sie die letzten drei Fragen las, wusste sie, dass es hoffnungslos war. Offenbar hakte es an 51 senkrecht, einer eigentlich

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