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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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aus der sich die Bedrohung näherte. Mehrere der Säufer, der Friedensfreunde, der Zauderer und der Kämpfer – von denen noch keiner zu einer der verschiedenen Missionen aufgebrochen war – drehten sich ebenfalls nach Norden und starrten an die Decke am Ende des Raums.
    Sämtliche Gespräche waren verstummt. Kein einziges Glas klirrte.
    Die meisten Hunde blickten ebenfalls nach oben, doch einige schnüffelten weiterhin am Boden. Offenbar betäubte der faszinierende Geruch von alten Bierlachen und Essensresten ihren Instinkt für Gefahr.
    »Es ist noch größer, als ich vorher dachte«, flüsterte Neil, »größer als ein Berg oder auch drei Berge. Und tief herunten, ganz tief. Vielleicht nur … drei Meter über den höchsten Baumwipfeln.«
    »Der Tod«, hörte Molly sich sagen und war überrascht von ihrer eigenen Stimme. Dennoch spürte sie mittels einer Gabe, die tiefer reichte als reiner Instinkt, dass dieses Wort nicht angemessen war. Was da im Unwetter reiste, war zugleich unglaublicher und weniger geheimnisvoll als alles, was sie sich bisher hatte vorstellen können.
    Irgendwo im Raum begann ein kleines Mädchen zu weinen. Sein Schluchzen war laut und kläglich, aber so rhythmisch, dass es falsch und seltsam klang.

26
    Obgleich das mysteriöse, unsichtbare Ding, das seinen Eroberungszug durch das nächtliche Meer am Himmel fortsetzte, die Aufmerksamkeit stärker auf sich zog als alles, was Molly je erlebt hatte, klang das Weinen des Kindes so unheimlich, dass sie und andere den Blick von der Decke abwandten und sich nach der Quelle des Jammerns umsahen.
    Was da weinte, war gar kein Kind. Die Geräusche kamen aus der Puppe, die Molly vom Rücksitz des verlassen auf der Landstraße stehenden Autos genommen hatte.
    Die Puppe lag bäuchlings auf dem Tresen, wie Molly sie hingelegt hatte. Der Kopf war dem Raum zugewandt, die Augen waren geschlossen. Aus dem offenen Mund kam das Plärren und Schluchzen, das zu den auf dem Voicechip gespeicherten Geräuschen und Wörtern gehörte.
    Molly dachte an die Spieldosen in ihrem Schlafzimmer, die Walzer tanzenden Porzellanfigürchen und das sich im Kreis drehende Karussellpferd.
    Vor dem geistigen Auge sah sie jedoch auch den zuckenden Kadaver, der einst Harry Corrigan gewesen war. Den toten Harry, der durch zerbrochene Zähne Eliot zitierte, mit einem verwüsteten Mund, der keinen Gaumen mehr besaß.
    Mit einem Schlag wurde ihr klar, dass die als Marionette agierende Leiche nur eine andere Kategorie des Effekts war, der die Musikdosenfiguren in Gang gesetzt hatte und nun die Puppe zum Schluchzen brachte. Für die unbekannten
Herren dieser Nacht waren die Toten Spielzeuge, und die Lebenden ebenfalls.
    Gerade als Molly wieder zur Decke blicken wollte, begann einer der Hunde zu knurren, und dann noch einer. Beide beobachteten die Puppe.
    Das künstliche Kleinkind war mit beweglichen Gliedern ausgestattet, aber, wie Molly festgestellt hatte, nicht mit einer batteriebetriebenen Mechanik. Dennoch bewegte es sich. Drehte sich auf die Seite. Hob den Kopf vom Tresen.
    Alle Anwesenden hatten in dieser Nacht Unmögliches gesehen und mehr als das. Sie waren gefeit dagegen, sich leicht verblüffen zu lassen, und betrachteten die Entwicklung anfänglich eher mit Neugier als mit Angst oder Verwunderung.
    Hätten die beiden Hunde nicht leise weitergeknurrt und die Zähne gebleckt, so hätten manche womöglich sogar weggeschaut, weil die merkwürdige Erscheinung ihnen weniger Sorgen machte als der unbekannte Koloss, der durch die nächtlichen Strömungen über Black Lake pflügte.
    Da hörte die Puppe auf zu weinen und richtete sich zum Sitzen auf. Ihre Beine baumelten über die Tresenkante, die Arme hingen an den Seiten herab. Die Augen gingen auf. Der Kopf drehte sich nach vorne.
    Da das künstliche Menschlein in seinen rosa Bermudashorts und seinem gelben T-Shirt im Spritzgussverfahren hergestellt und maschinell verklebt, zusammengenäht und bemalt worden war, war es natürlich blind, doch seine Augen bewegten sich nach links, nach rechts und wieder nach links, als könnte es den Blick über die in der Kneipe versammelten Menschen schweifen lassen und sie klar und deutlich sehen.
    Mit kindlicher Stimme sagte es: »Hungrig. Essen.«
    Das widersprach nicht der Logik, denn diese beiden Wörter gehörten offenbar zu dem Vokabular auf dem eingebauten Voicechip.

    Dennoch wichen die in nächster Nähe stehenden Betrachter einen Schritt zurück.
    Molly schmiegte sich an Neil.
    »Hungrig.

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