Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
sich zur Öffnung, eine Hand auf dem nassen Fensterbrett, die Pistole schussbereit in der andern. »Wir können ihn doch nicht einfach verschwinden lassen!«
    »Wen? Wo?«
    Sie beugte sich aus dem Fenster, steckte den Kopf in den Regen und spähte nach links und rechts die schmale Gasse entlang. Nur Nacht, herabströmendes Wasser, eine Ahnung von monströsen Dingen, die insgeheim in den nahen Schatten wuchsen. Render aber war bereits verschwunden.

VIERTER TEIL

    Die Leiche, die du
vor’ges Jahr in deinem Garten setztest,
Schlägt sie schon aus?
Wird sie dies Jahr erblühn?
     
    T.S. ELIOT • DAS WÜSTE LAND

25
    Als Molly wieder am Tresen stand und erfuhr, dass es starken Kaffee gab, bestellte sie einen Becher. Wenn überhaupt etwas es schaffte, sie aus diesem Traum – falls es doch einer war – aufzuwecken, dann heißer, schwarzer, duftender Kaffee.
    Am Tisch der Schluckspechte saß Derek und winkte ihr zu. Sie ignorierte ihn.
    Neil nahm ebenfalls einen Kaffee und schlug Antworten auf einige der Fragen vor, die Molly quälten. Für die grundlegendsten und daher dringendsten Probleme hatte er allerdings keine Erklärung.
    »Also hat Render uns erkannt, als wir ihm vorhin auf der Straße entgegengekommen sind«, sagte Molly. »Aber wie hat er uns hier aufgespürt?«
    »Unser Wagen steht draußen. Er hat ihn erkannt.«
    »Wenn er nicht gekommen ist, um mich umzubringen, weshalb ist er denn dann gekommen?«
    »Nach dem, was du mir erzählt hast, habe ich den Eindruck, er wollte dich irgendwie herausfordern.«
    »Mich herausfordern wozu – ihn umzulegen? Was für einen Sinn sollte das haben?«
    »Keinen«, gab Neil zu.
    »Er nannte mich unfruchtbar. Woher weiß er darüber Bescheid?«
    »Wahrscheinlich hat er irgendwie herausgefunden, dass wir keine Kinder haben.«
    »Aber wie kann er wissen, dass wir es sieben Jahre lang so oft versucht haben, und dass es … einfach nicht geht!«
    »Das kann er nicht wissen.«
    »Aber er hat’s gewusst!«
    »Er hat bloß geraten«, sagte Neil.
    »Nein. Er hat’s gewusst, ganz bestimmt. Er hat’s gewusst. Er hat seine Nadelstiche genau da gesetzt, wo sie am meisten wehtaten. Der Schuft hat mich ein leeres Loch genannt!«
    Mollys Gedanken waren ein einziges Durcheinander, vielleicht weil sie zu wenig geschlafen hatte oder weil im Verlauf der Nacht zu viel passiert war, um es zu verarbeiten. Auch der Kaffee hatte nichts geholfen. Wahrscheinlich hätte selbst eine ganze Kanne ihr Hirn nicht auf Touren gebracht.
    »Komisch, aber … jetzt bin ich froh, dass wir keine Kinder haben«, sagte Neil. »Ich könnte es nicht ertragen, dass wir sie nicht vor dem beschützen können, was kommt.«
    Seine linke Hand lag auf dem Tresen; sie legte ihre rechte darauf. Er hatte so starke Hände, und doch hatte er sie sein ganzes Leben lang ausschließlich zu sanften Dingen verwendet.
    »Er hat T.S. Eliot zitiert«, sagte sie. Das war die Sache, die sie am meisten verblüffte und durcheinanderbrachte.
    »Du meinst das Ding im Haus von Harry Corrigan?«
    »Nein, ich meine Render. Zuerst hat er den Ausdruck ›zwischen Idee und Wirklichkeit‹ benutzt und später ›zwischen Verlangen und Zuckung‹. Das war inmitten seines ganzen irren Gezeters, aber beides stammt aus dem Gedicht ›Die hohlen Männer‹.«
    »Er könnte doch wissen, dass Eliot zu deinen Lieblingsautoren gehört.«
    »Und woher sollte er das wissen?«
    Neil überlegte einen Augenblick, doch ihm fiel keine Antwort ein.
    »Kurz bevor er verschwunden ist, hat er auch noch gesagt: ›Dunkel, dunkel, dunkel – sie alle gehen ein ins Dunkel.
‹ Das ist auch wieder von Eliot. Erst dieses Ding, das früher einmal Harry Corrigan war … und jetzt Render.«
    Molly spürte, dass sie eine schwer zu fassende Erkenntnis umkreiste, die sich, sobald sie sich eröffnete, zu einer verblüffenden Offenbarung entfalten würde.
    »Dieser schaurige Harry Corrigan mit Kopfschuss war nicht der wirkliche Harry«, sagte sie. »Deshalb frage ich mich … war mein Vater dahinten im Waschraum wirklich mein Vater?«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Vielleicht war er auch wirklich Render … aber nicht nur Render.«
    »Ich kapiere noch immer nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Ich weiß ja auch nicht, was ich meine. Vielleicht weiß ich es auch, aber auf einer unbewussten Ebene, zu der ich keinen Zugang habe … denn jetzt im Moment sträuben sich mir die Härchen im Nacken.«
    Zu wenig Schlaf, zu wenig Kaffee, zu viel Entsetzen. Vielschichtige Schleier

Weitere Kostenlose Bücher