Todesrennen
zusätzliches Gewicht zu verleihen, »erfahrene Agenten sind sich außerdem darin einig, dass Intuition und sechster Sinn die Buchmacher seit dem ersten Rennen der Menschheitsgeschichte reich gemacht haben. Heute Morgen erst habe ich erfahren, dass Sie Ihre Einsätze verdoppelt und einige meiner besten Männer, die ohnehin nur ein sehr dünnes Netz über den Kontinent spannen, zum Belmont Park beordert haben.«
»›Texas‹ Walt Hatfield«, erwiderte Bell mit entwaffnender Offenheit und ohne sich zu entschuldigen, »Eddie Edwards aus Kansas City. Arthur Curtis aus Denver. James Dashwood aus San Francisco.«
»Ich würde Dashwood nicht unbedingt in den Kreis der Besten aufnehmen.«
»Ich habe mit dem Jungen in Kalifornien zusammengearbeitet«, sagte Bell. »Was Dash an Erfahrung fehlt, macht er durch Beharrlichkeit wett. Außerdem ist er der beste Pistolenschütze der Agentur. Er hätte Harry Frost ganz sicher ein drittes Augen mitten in der Stirn verpasst.«
»Aber wie dem auch sei, es kostet jedenfalls Geld, die Männer durch die Gegend zu transportieren. Von der Gefahr mal ganz zu schweigen, die Fälle zum Scheitern zu bringen, an denen sie zurzeit arbeiten.«
»Ich habe mich zuvor mit ihren Regionalbüroleitern beraten, ehe ich sie anforderte.«
»Sie hätten mit mir reden sollen. Ich kann Ihnen jetzt schon verraten, dass ich Texas Walt sofort nach Texas zurückschicken werde, damit er die Untersuchungen im Fall des San-Antone-Eisenbahnraubs abschließt, und Arthur Curtis nach Europa, um die Außenstelle in Berlin zu eröffnen. Archie Abbot hat dort ein paar sehr gute einheimische Kandidaten aufgetrieben. Arthur ist der Einzige, der sie führen kann, denn er spricht Deutsch.«
»Ich brauche aber auch die Besten, Joe. Ich jongliere mit vier Jobs: mit dem Schutz Josephines, dem Schutz des Überland-Luftrennens, der Jagd nach Harry Frost und der Untersuchung, was wirklich mit Marco Celere geschehen ist.«
»Auch dort weisen alle Hinweise direkt auf einen Mord hin.«
»Aber selbst in diesem Fall fehlt uns eine Leiche.«
»Ich habe gestern Abend an Preston Whiteway telegrafiert und sofort Antwort erhalten. Ihm ist jede Leiche recht: Celeres, damit wir Frost überführen können, oder Frosts, damit wir ihn begraben können.«
»Ich stimme auch für Frosts Tod«, sagte Bell. »Josephine wäre dann sicher, und ich könnte in aller Ruhe nach Celere suchen.«
»Warum die Zweifel an Frosts Tod?«
»Ich mag keine Morde ohne Leichen. Irgendetwas an dieser Sache ist höchst seltsam.«
»Wieder eine Intuition?«
»Mögen Sie Morde ohne Leichen, Joe?«
»Nein. Sie haben recht. Irgendetwas ist seltsam.«
An die Tür wurde leise und zaghaft geklopft. Van Dorn bellte: »Herein!«
Ein Lehrling trat eilig ein, in der Hand ein Telegramm für Isaac Bell.
Bell las, wobei sich seine Miene verfinsterte, und er sagte zu dem Lehrling, der neben ihm auf den Zehenspitzen balancierte und bereit schien, jeden Moment die Flucht zu ergreifen. »Telegrafier ihnen, dass ich eine verdammt gute Erklärung hören will – oder wenigstens lesen will, weshalb es so lange gedauert hat, diese Steckbriefe in der Bank aufzuhängen.«
Der Lehrling rannte hinaus. Van Dorn fragte: »Was ist los?«
»Frost ist nicht tot.«
»Eine Intuition?«
»Harry Frost hat soeben bei der First National Bank in Cincinnati zehntausend Dollar abgehoben. Kurz nachdem er das Gebäude verließ, hat unser Regionalbüro es endlich geschafft, die speziell für die Banken gedruckten Steckbriefe abzugeben. Sie enthalten unter anderem die Warnung, dass Frost erscheinen könnte, um sich Geld zu beschaffen. Als uns der Bankmanager anrief, war Frost längst schon über alle Berge.«
»Endlich mal eine auf vagen Vermutungen basierende Aktion, die sich bezahlt gemacht hat, diese Plakate«, lobte van Dorn. »Gut gemacht.«
»Es wäre sicherlich noch besser gelaufen, wenn jemand in Cincinnati seinen Job ordentlich gemacht hätte.«
»Ich denke schon seit einiger Zeit darüber nach, in Cincinnati gründlich aufzuräumen. Diese Panne ist der endgültige Auslöser. Haben Sie sich in irgendeiner Weise über Frosts Verletzungen geäußert?«
»Nein.« Bell stand auf. »Joe, ich muss Sie bitten, bis ich zurückkomme, die Truppe, die für den Schutz von Josephine zuständig ist, persönlich auf Trab zu halten.«
»Wohin wollen Sie?«
»Nach Massachusetts und weiter zu einem Ort, der östlich von Albany liegt.«
»Was suchen Sie dort?«
»Der junge Dashwood hat eine
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