Todesrennen
grauer Bart –, hat mit Geldscheinen herumgewedelt, um ein Boot zu mieten.«
»Was für ein Boot?«
»Er sagte, es müsse ruhig im Wasser liegen und so breit sein wie eine Austernschute. Und schnell müsse es außerdem sein. Schneller als die Hafenpatrouille.«
»Hat er eins gefunden?«
»Zwei sehr schnelle Boote sind seitdem verschwunden. Beide werden von Männern gelenkt, die für Geld alles tun würden. Und Frost – wenn er es wirklich war – wollte eine Menge zahlen.«
Isaac Bell klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. »Gute Arbeit, Eddie.«
Das Gesicht des Detektivlehrlings, verunstaltet durch die brutalen Prügel einer Gangsterbande, die den Jungen beinahe das Leben gekostet hatten, verzog sich zu einem schiefen Grinsen. Seine Augen hatten die Tortur unbeschadet überstanden, auch wenn eins unter einem herabhängenden Lid beinahe verschwand, und leuchteten jetzt vor Stolz über das Lob des Chefermittlers.
»Darf ich fragen, was das Ihrer Meinung nach zu bedeuten hat, Mr. Bell?«
»Wenn es tatsächlich Frost war – und nicht irgendein Gauner, der versucht, etwas von einem Schiff herunterzuschmuggeln oder seinen Kumpel aus dem Gefängnis zu holen und ihn in einen freundlicher gesonnenen juristischen Zuständigkeitsbereich zu transportieren –, dann heißt es wohl, dass Harry Frost eine stabile Schussplattform und eine schnelle Fluchtmöglichkeit sucht.«
Bell zog die Beine aus der engen Pilotenkanzel der Eagle, schwang sich hinaus und landete wie ein Akrobat im Gras. »Andy! Tempo, Tempo!«
»Moment mal!«, ereiferte sich der Aero-Club-Prüfer. »Wo wollen Sie hin, Mr. Bell? Wir haben mit der Prüfung noch nicht einmal angefangen!«
»Tut mir leid«, sagte Bell. »Wir müssen sie ein anderes Mal abschließen.«
»Aber Sie brauchen das Zertifikat, um an dem Rennen teilnehmen zu können. So steht es in den Regeln.«
»Ich nehme gar nicht am Rennen teil. Andy! Malen Sie sie gelb an!«
»Gelb?«
»Whitewaygelb. Sie muss genauso gelb sein wie Josephines Maschine. Bestellen Sie ihren Leuten, sie sollen Ihnen so viel von der Farbe geben, wie Sie brauchen, und dann sollen sie Ihnen beim Pinseln helfen. Ich möchte, dass meine Maschine morgen früh rundum gelb ist.«
»Aber – wie sollen die Leute Sie dann beide auseinanderhalten? Ihre Maschine sieht doch fast genauso aus wie Josephines. Das könnte für Verwirrung sorgen.«
»Genau das ist die Idee«, sagte Isaac Bell. »Ich will es Harry Frost nicht zu einfach machen.«
»Ja, aber wenn er nun auf Sie schießt – in dem Glauben, er habe Josephine vor sich.«
»Wenn er schießt, verrät er seine Position. Dann gehört er mir.«
»Und wenn er Sie trifft?«
Darauf gab Isaac Bell keine Antwort. Er winkte bereits seinen Detektiven und gab ihnen knappe Anweisungen. »Eddie hat soeben einen entscheidenden Hinweis geliefert. Stationieren Sie Gewehrschützen auf Booten auf dem East River, der Upper Bay und auf dem Hudson bis hinauf nach Yonkers. Jetzt haben wir Harry Frost da, wo wir ihn haben wollen.«
Buch drei
»Up, up, a little bit higher«
17
Als das Rennen begann, kreiste Isaac Bell in seinem Ameri can Eagle in etwa eintausend Fuß Höhe über dem Belmont Park, um nach möglichen Gefahren Ausschau zu halten. Die Windverhältnisse waren an diesem Nachmittag ziemlich heikel – das Abfeuern der Startkanone hatte man wegen heftiger Böen zwei Mal verschoben –, und obgleich er noch ein Neuling war, entwickelte der hochgewachsene Detektiv wie ein erfahrener Vogelmann eine Vorliebe für große Flughöhen. Josephine Josephs, Joe Mudd, Lt. Chet Bass, Autorennfahrer Billy Thomas, Baumwollfarmer Steve Stevens und »Frenchie« René Chevalier bevorzugten eine größere Höhe aus Gründen, die Baronet Eddison-Sydney-Martin knapp und einleuchtend formulierte: »Wenn man aus großer Höhe abstürzt, hat man die Möglichkeit, die Maschine noch rechtzeitig abzufangen. Stürzt man jedoch aus geringer Höhe ab, kommt es viel zu schnell zum Bodenkontakt.«
Die Höhe spendierte Bell einen spektakulären Blick auf den Belmont Park Race Track. Das hellgrüne Innenfeld war mit Aeroplanen in allen Farben gesprenkelt. Scharen von Mechanikern, unterscheid- und erkennbar an ihren Westen und weißen Hemdsärmeln, liefen um sie herum, justierten Spanndrähte, stimmten Motoren ab, füllten Treibstoff und Kühlwasser nach. Fünfzigtausend Zuschauer drängten sich auf der Tribüne und winkten mit weißen Taschentüchern.
Nur gut, dass er bei seiner Planung auch
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