Todesriff
rot-weißen Schranke.
Einen Moment zögerte sie noch, bevor sie ausstieg. Wie würden Nick und Steve reagieren, wenn sie s o einfach hier auftauchte? Schließlich gab sie sich einen Ruck und öffnete die Autotür. In dem kleinen Haus, über dem Reception stand, erkundigte sie sich bei einer dauergewellten, etwa fünfzigjährigen Rothaarigen nach dem Standort des Wohnwagens von Steve und Nick. Zuerst wusste die Frau nicht, wen sie meinte, doch als
Annabel
die beiden beschrieb, nannte sie ihr den Platz.
Annabel bedankte sich und ging an der Schra nke vorbei auf den Campingplatz, wo Wohnwagen zwischen hohen, schattenspendenden Bäumen standen.
Annabel suchte sich einen Weg durch den offenbar ausgebuchten Campingplatz. Nur wenige Meter voneinander entfernt standen die Zelte, Wohnwagen und Wohnmobile mit den Aufdrucken der großen Vermieter Britz und Maui, aber auch staubige Unimogs, auf deren Ladefläche Sw ags , montiert waren. Überhaupt war der Campingplatz ziemlich belebt. Überall wurde gekocht, gepackt, aufgebaut, abgebaut und geputzt.
Annabel kam in einen etwas schwächer besetzten Teil, ging vorbei an Wohnwagen älteren Baujahrs, deren ursprüngliches strahlendes Weiß Moose, Flechten und Vogelkot gräulich grün verfärbt hatten, und vorbei an ein paar wenigen Zelten, vor den en angekohlte Steine und leere Dosen lagen. Annabel ahnte, dass ausgerechnet einer der am heruntergekommensten wirkenden Wohnwagen derjenige war, den sie suchte.
Sie behielt Recht. Kein Auto parkte davor.
Annabel stellte sich auf einen umgedrehten Eimer, den sie unter dem Wohnwagen gefunden hatte, und versuchte, einen Blick ins Wageninnere zu werfen.
E
s hätte sie überrascht, wenn dort Ordnung und Sauberkeit geherrscht hätten, aber das Chaos, das sich ihren Augen bot, konnte nur von einem Kampf stammen. Polster lagen auf dem Boden, dazwischen zerbrochenes Geschirr, Papiere, Kleider ...
Annabel stieg von dem Eimer herunter und blickte sich um. Niemand schien Notiz von ihr zu nehmen. Davon abgesehen, waren die Nachbar-Wohnwagen wohl zurzeit nicht bewohnt.
Sie
versuchte den Türverschluss zu drehen, doch der Wohnwagen war verschlossen. Sie zögerte einen Moment, dann aber siegte ihre Entschlossenheit, und sie zog ihr Taschenmesser, das sie als Autoschlüsselanhänger benutzte, hervor. Wie man einfache Schlösser ohne Schlüssel öffnete, hatte
ihr Bruder, ihr schon vor Jahren gezeigt.
Sie brauchte höchstens zwanzig Sekunden, bis die Tür aufsprang. Biergeruch und abgestandener Zigarettenrauch quollen ihr entgegen. Trotzdem trat sie ein und zog die Tür hinter sich zu. Sie würde es schon rechtzeitig hören, wenn sich jemand dem Wohnwagen näherte. Dann schaute sie sich um. Zerbrochenes Geschirr war über den Boden zerstreut, dazwischen blitzten Glasscherben auf. Die Kissen der Sitzbänke lagen aufgeplatzt überall im Raum verteilt, und aus den offen stehenden Schränken schien jemand wahllos Lebensmittelvorräte herausgerissen und an die Wand geschleudert zu haben.
Zwischen all den Scherben und Glassplittern entdeckte sie ein Foto. Sie bückte sich und hob es auf. Es war nicht größer als ein Passbild ... und zeigte niemand anderen als sie selbst.
Im selben Augenblick glaubte sie, draußen Schritte zu hören. Sie sah aus dem Fenster. Zwei Jugendliche
gingen grölend
zu den Waschräumen. Annabel steckte das Foto ein und beeilte sich, zu ihrem Auto zu kommen.
Als sie endlich wieder auf die Hauptstraße kam beschloss sie, gleich ihre Einkäufe zu erledigen, um sich abzulenken. Sojamilch, Tofu, Gemüse, Obst, Toilettenpapier und Mineralwasser, Spülmittel und Batterien lud sie in ihren Wagen aber jedes M al wenn sie in ein Regal griff sah sie wieder ihr Foto vor sich. Sollte sie damit zur Polizei gehen? Und was sollte sie denen sagen?
Es war keine Aufnahme, die jemand heimlich von ihr gemacht hatte. Nein, sie lächelte geradewegs in die Kamera. Sie musste also den Fotografen kennen. Vielleicht war es auch ein Ausschnitt aus einem Foto. Und v ielleicht konnte sie anhand ihrer Frisur oder des Oberteils, das sie trug, herausfinden, wann und von wem das Foto gemacht worden war. Doch war das Oberteil auf dem Brustbild überhaupt zu erkennen? Annabel erinnerte sich nicht.
Draußen schlug ihr wieder die feuchte Hitze entgegen. Schnell warf sie die Tüten in den Kofferraum und nahm das Foto aus dem Handschuhfach. Sie hatte ihr Haar im Nacken zusammengebunden , konnte also nicht sehen, wie lang es war . Ohnehin hatte sic h ihre
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