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Todesriff

Todesriff

Titel: Todesriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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und klappte die Sonnenblende herunter. Die Sonnenbrille nahm er schon lange nicht mehr ab. Er hatte begonnen, nicht nur die Nacht, sondern auch den Tag zu hassen - und jede Berührung, auch die des sanft streichelnden Windes auf seiner Haut.
    Immer wieder schaute er in den Rückspiegel, doch er wurde nicht verfolgt. Der Besitzer des Wagens saß im Flugzeug, fest davon überzeugt, sein Auto parke auf dem Flughafenparkplatz in Cairns.
    Er fuhr durch eine üppig grüne Landschaft, vorbei an Teeplantagen und Zuckerrohrfeldern, durch Reste von Regenwald. Bald würde er den Daintree River erreichen und ihn mit der Fähre überqueren. Die Kopfschmerzen waren verflogen. Sein Körper sträubte sich nicht länger gegen das, was sein Kopf ihm befahl zu tun. So schnell konnte man sich ans Töten gewöhnen ... Er hatte genügend Verbrecher verhört, ihre Biografien studiert, um zu wissen, dass es tatsächlich so war. Doch dass auch er keine Ausnahme darstellte, überraschte ihn. Früher wäre er darüber schockiert gewesen. Aber jetzt? Es erleichterte ihn sogar. Er schaltete das Autoradio ein
.
    Der Himmel war fast genauso blau wie damals im Mai. Es war Frühling gewesen, die Buchenwälder in den Bergen und Tälern hatten frisches, hellgrünes Laub getragen. Wie im Urlaub hätte man sich fühlen können, wären da nicht überall die verkohlten Häuser gewesen, die ausgebrannten Autowracks, die Blechdosen an Stöcken mitten im Grün, Zeichen für Minenfelder.
    Sie kannte ihn. Mira kannte Goran Hentschel. Sie hatte ihm an jenem letzten Morgen zu lange in die Augen gesehen.
    Er hatte Goran Hentschel nie gemocht. Eines Nachts - es war noch auf der Polizeischule - hatten sie mit viel zu viel Alkohol eine bestandene Prüfung gefeiert und waren aus einer Kneipe getorkelt. Da war ihnen an einer Straßenecke ein Obdachloser über den Weg gelaufen. Goran, der noch eine Flasche Bier mitgenommen hatte, hielt sie dem Mann vor die Nase. Doch als der danach griff, zog Goran die Flasche weg und stellte dem Mann gleichzeitig ein Bein, sodass der der Länge nach auf den Bürgersteig fiel. Die anderen
waren entsetzt
, aber Goran lachte nur und goss die Flasche Bier über dem am Boden Liegenden aus. Dann begann er ihn aufs Übelste zu beschimpfen und wollte ihn gerade mit Fußtritten malträtieren, als die anderen endlich aus ihrer Fassungslosigkeit aufschraken und Goran von dem stöhnenden Obdachlosen wegzerrten. Goran wehrte sich, schlug und trat um sich - bis er ihm einen so harten Schlag in den Magen versetzte, dass Goran zusammenbrach und sich übergab. Noch heute erinnerte er sich an Gorans hasserfüllten Blick. Goran erlaubte sich noch zwei weitere ähnliche Auftritte, bis man ihn der Schule verwies.
    Über sechzehn Jahre hatte er Goran nicht mehr gesehen. Erst wieder an der Straßenkreuzung, als er in jenem Café auf Mira gewartet hatte - un d dann wieder im Hinterhof des Dalmatia . Nick hatte Mira festgehalten, sein widerliches Grinsen sah er immer noch vor sich ...
    Das Stechen in seinem Kopf war wieder da , die Fahrbahn vor ihm verschwamm, er musste am Straßenrand anhalten. Er brauchte eine Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte. Dann fuhr er weiter.
    Eine Stunde später dann war es so weit. Darauf hatte er gewartet: Ein weißes Schild wies nach links. Er bog in die ungeteerte Straße ein, die durch üppige grüne Regenwaldvegetation geschlagen war. Unter den Reifen knirschten die Schottersteine. Eine weiße Limousine kam ihm entgegen, darin gerötete Urlaubergesichter und schlafende Kinder.
    Wenn Nick nicht da war
,
d
ann würde er warten. Er hatte Zeit, alle Zeit der Welt. Dies war seine vorletzte Aufgabe.
    Immer langsamer fahrend, näherte er sich dem großen, offen stehenden Tor der Lodge.

80
    Annabel sah auf die Uhr. Pünktlich um fünf Uhr am Nachmittag machte die Quicksilver Explorer an ihrem Liegeplatz im Hafen von Port Douglas fest. Siebenundzwanzig Touristen verabschiedeten sich von ihr und den anderen zwei Tauchlehrern.
    „Puh”, stöhnte Gordy, „ als dieser Napoleonfisch da vor uns aufgetau cht ist, hat sich diese Tussi doch glatt an meinen Arm gekrallt und mir dabei fast den S chlauch abgeknickt.”
    Die anderen lachten.
    „ Die war auf dich scharf, ganz klar!”, meinte Matt, der sich fast wieder so wie vor dem Unfall mit den beiden Tauchtouristen benahm. Zu Annabel gewandt, sagte er: „ Wie sieht es aus? Wir wollten do ch mal wieder was trinken gehen? ”
    An diesem Morgen hatte sie noch mit dem Gedanken

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