Todesriff

auf dem Küchenboden. Sie fühlte sich nackt, nein schlimmer: wie gehäutet.
    Selbst die Nachricht auf dem Anrufbeantworter, den sie gerade abhörte, schien sie zu verhöhnen:
    „ Miss Bailor? Hier ist Detective Flimms. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass unsere Spezialisten keinerlei Hinweise auf eine Manipulation an ihrem Föhn finden konnten. Es war ein ganz einfacher Kurzschluss.” Er klang so , als wäre ihre Vermutung das Lächerlichste gewesen, was ihm in dieser Woche untergekommen war.
    Als kurz darauf das Telefon klingelte, hob sie automatisch ab.
    „ Belle-Darling!” Das war Jonathan. „ E s tut mir wirklich schrecklich l eid, dass ich nicht da war, als du kamst!
Eve hat mir erzählt, dass du dich sehr merkwürdig benommen hast.
Du hast seltsame Fragen gestellt? Ist denn alles in Ordnung bei dir? Gehst du noch zu diesem
Therapeuten
? Du weißt, Mum hatte auch solche Phasen, und
ihre Krankheit könnte erblich sein
...”
    „ Hast du den Auftrag erteilt, mich umzubringen?”, fiel sie ihm ins Wort.
    Einen Moment herrschte Stille, dann stieß Jonathan ein kurzes Lachen aus. „ Belle! Ich bitte dich! Was soll das? Hör zu, Liebes, ich weiß, dass du diese Schwäche von Mum geerbt hast. Deshalb reagiere ich jetzt auch nicht so, wie ich normalerweise auf eine so ungeheuerliche Unterstellung reagieren würde! Rufe sofort
diesen
Dr. Oppel an, oder ich tue es für dich! Er soll dir
andere
Tabletten verschreiben! Belle, ich bin wirklich sehr besorgt um dich ...”
Seine Stimme war fast hypnotisch.
    Sie legte einfach auf und brach in Tränen aus.
    War sie denn
paranoid
? Bildete sie sich alles nur ein?
Sie rieb sich mit beiden Händen die wunden, geröteten Augen.
Entstammte dieses Szenario ihrer Hysterie und ihrer übersteigerten Angst vor Betrug und Lüge?
    Sie schob die Verandatür auf und lehnte sich ans Geländer. Die Sonne, die hinter den Bergen unterging, warf nur noch ein schwaches, rosafarbenes Licht auf die Wolken über dem Meer. Als Silhouette am Horizont erkannte sie ein Frachtschiff. Die Vögel in den Bäumen sangen die letzten Melodien dieses Tages. Der Butcher Bird war wieder in der Nähe. Noch immer lockte er Vögel an, die nichts ahnend und neugierig den Urheber des verführerischen Gesangs suchten. Sie wusste nicht, was sie tun, denken oder fühlen sollte, sie wusste nicht, wem sie vertrauen konnte. Was war die Wahrheit?

83
    Kurze Zeit nach seinem Anruf im Headquarter hatte Shane die nötigsten Informationen beisammen: Das Resort, von dem die Postkart e an Nigel Hurst stammte, hieß Fire Wheel Tree Resort , lag nicht weit vom Cape Tribulation entfernt am Barrier Reef und gehörte einer gewissen Mary Fisher - derselben Mary Fisher, die vorher das Lagoon in Broadbeach besessen hatte und damals am Strand den toten Andrew Barber als Goran Hentschel, ihren Gast, identifiziert hatte. Aber das war noch nicht alles, was Shane aufhorchen ließ. Mary Fisher hatte das Resort gekauft, nachdem es bei einem Brand sehr stark beschädigt worden war. Ein Brand zerstörte Ron Schusters Werkstatt, zwei Yachten - und ein Resort -, und jeder machte damit Geld ...
    „ Wie, sagtest du, hieß das Motel?”, unterbrach Tamara ihn in seinen Gedanken, die bisher schweigend über die Neuigkeiten nachgedacht hatte.
    “ The Lagoon in Broadbeach . ”
    „ Und die ehemalige Besitzerin hieß Fisher?” Sie legte die Stirn in Falten.
    „ Mary Fisher.”
    „ Die Freundin dieses Goran Hentschel alias Andrew Barber”, sagte sie nachd enklich, „ hieß doch auch Fisher ... Kathy Fisher.”
    Shane sah Kathy Fisher mit dem Puppengesicht
vor sich
. „ Es gibt tausende von Fishers im ganzen Land.”
    Tamara
dachte einen Moment konzentriert nach.
„ Shane - ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich mir in Kathy Fishers Badezimmer an einem Handtuch die Hände abgetrocknet habe, auf dem The Lagoon stand.”
    „ Und das fällt dir jetzt erst ein?” , fuhr er sie an.
    „ Himmel, ja! ”, brauste sie auf. „ Du hast mir gegenüber den Namen ja nicht erwähnt! Und als wir damals bei Kathy Fisher waren, da war der Name Lagoon noch nicht in unseren Ermittlungen aufgetaucht!”
    Jetzt endlich fiel ihm das Bild ein, wonach er die ganze Zeit in seinem Gedächtnis gesucht hatte. Als Kathy Fisher vom sexuellen Verhältnis zu ihrem Freund Andrew Barber alias Goran Hentschel gesprochen hatte, hatte sie erwähnt, dass sie beide bei ihrer Schwester am Cape Tribulation gewesen seien und er beim Dachdecken geholfen habe. Das