Todesritual: Thriller (German Edition)
einer der Taschen gefunden, in denen er seine Belohnung nach Hause getragen hatte.
Das Geld …
Das dollargrüne Auge von Baron Samedi …
Und dann überkam ihn wieder die alte Angst. 1981 hatte Boukman ihn gefoltert und fast umgebracht. Boukman hatte ihn fertiggemacht, so wie Kindheitstraumata einen Erwachsenen fertigmachen, er hatte ihm tiefe seelische Narben zugefügt.
Er fing an zu zittern.
Dieses Mal würde es noch viel schlimmer werden.
Der Film fing wieder an zu laufen. Das Pärchen hatte weiterhin seinen Spaß. Max sah zu und konnte den Soundtrack in seinem Kopf noch immer nicht abstellen.
Dann lief der Film langsamer und wie abgehackt, bis er schließlich stehen blieb. Wieder blitzte ein einzelnes Bild auf.
Max an Sandras Grab. Das Foto war mit einem Zoom von der Seite aufgenommen worden. Er hatte frische Blumen neben den Grabstein gestellt und betrachtete sie.
Dann wieder der Film, aber langsam, bis das nächste Bild kam.
Jemand – Boukman? – pinkelte auf den Grabstein und den Blumenstrauß, die Blütenblätter flogen von den Stängeln, als wollten sie angewidert das Weite suchen.
Max wollte aufspringen. Er war wütend. Rasend vor Wut. Rasend genug, einen Mord zu begehen. Er zog und zerrte an den Fesseln, er kämpfte. Die Seile schnitten ihm ins Fleisch, rissen ihm die Haut auf. Seine Arme und Beine waren so taub, dass er den Schmerz nicht spürte.
»Du feige Ratte!«
Der Porno lief ungerührt weiter. Und zwischendurch noch mehr Horrorbilder.
Yolande Pétion, seine Partnerin, tot auf dem Fußboden ihres Hauses, eine Ladung Schrot im Gesicht.
Max und Tameka. Ihr erstes Rendezvous, Abendessen in dem Sushi-Restaurant auf der Lincoln Road. Tameka schaute über seine Schulter hinweg direkt in die lauernde Kamera und lächelte.
Sie kannte Boukman. Sie hat ihn gesehen.
Das Blut gefror ihm in den Adern.
»Du gabst mir Grund zu leben.«
Tameka und Max auf den Bahamas, am Strand. Tameka schob sich die Sonnenbrille herunter und schaute wieder mit einem verschwörerischen Lächeln direkt in die Kamera, während Max mit dem Rücken zum Meer stand.
Vegas. Max schlafend im Krankenhaus, das Gesicht grün und blau, einen Arm in Gips.
Der Brand in dem Haus, in dem er mit seiner Frau gelebt hatte: sein Geld, aus dem Tresor geholt und in einen Koffer gestopft, ganz in der Nähe die Flammen.
Max bewusstlos auf der Straße vor seinem Haus. Boukman hatte es niedergebrannt, hatte sein Geld genommen und ihm das Leben gerettet. Es für einen anderen Tag aufgehoben.
Baron Samedis dollargrünes Auge …
Boukman hatte mit diesem Geld Rudi Milk für den Film bezahlt.
Boukman hatte Max’ eigenes Geld gegen ihn gewendet.
Die Belohnung aus Drogengeldern: Geld des Todes.
Boukman hatte Milk und alle anderen in dem Haus umgebracht, alle, die mit dem Film zu tun gehabt hatten. Die Leichen hatte er zusammen mit dem Geld, mit dem er Milk bezahlt hatte, im Garten begraben. Es war Max’ Geld – und Max hatte es ausgegraben und der Polizei übergeben. Was er von Anfang an hätte tun sollen.
Tameka auf der Erde liegend, anscheinend in irgendeiner Wüste, mit einem Loch im Kopf, Blut tränkte den Sand, ein Schatten fiel über ihren Körper.
Fabiana und Will waren fertig. Sie schmeichelte ihm wegen seines Zauberstabs und strich ihm mit dem Zeigefinger über den Körper. »Nenn mich Harry Ficker, Baby«, sagte Will. Aber Max hörte ihn nicht. Stattdessen hörte er Boukmans Stimme:
»Du gabst mir Grund zu leben.«
Abe Watsons 45er, halb vergraben in Erde und Würmern.
Will nackt auf dem Bett, er fächert seinen Genitalien mit einer Speisekarte Luft zu, während Fabiana duscht.
Eldon Burns, wie er aus dem Studio auf der 7th Avenue tritt. Hatte Eldon Boukman gesehen, bevor er starb? Natürlich hatte er das.
Max und Joe beim Abendessen im Mariposa.
Will verlässt im blauen Arbeitsoverall und mit Wollmütze auf dem Kopf das Hotelzimmer.
Jeder einzelne Klient, für den Max in den letzten fünf Jahren gearbeitet hatte, genau an der Stelle postiert, wo er sie zuletzt gesehen hatte. Alle lächelten. Max fragte sich, ob die auch tot waren. »Klienten«, die Boukman ihm geschickt hatte.
Sein ganzes Leben, von 1996 bis in die Gegenwart, war soeben an ihm vorübergezogen.
»Du gabst mir Grund zu leben.«
Dann endete der Film.
Der Bildschirm wurde schwarz.
Einen Moment lang saß Max fast im Dunkeln, das Licht der Kerzen wurde von der Schwärze, die sie umgab, aufgesogen, sie schimmerten nur schwach.
Dann erschien auf
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