Todesritual: Thriller (German Edition)
deine Honorare aus deiner eigenen Tasche beglichen. Du hast geglaubt, du siehst denen zu, wie sie betrogen werden, in Wahrheit aber warst du es, der betrogen wurde, du warst der Gehörnte.«
Max hatte aufgehört zu kämpfen. Er war müde, seine Hand- und Fußgelenke schmerzten und bluteten. Während er die Bilder vor sich hatte aufblitzen sehen – Boukmans Wirken hinter den Kulissen, maskiert als Pech oder grausamer Schicksalsschlag, der ihm das Leben schwermachte –, spürte er die ganze Zeit ein beengtes Gefühl im Magen, als stünde er in einem Aufzug, der viel zu schnell nach unten raste. Er wusste, er war besiegt. Im Grunde aber, wenn er darüber nachdachte, hatte er schon vor langer Zeit verloren. Seit er beschlossen hatte, das Geld, das er aus Haiti mitgebracht hatte, zu behalten.
Er dachte über Boukmans Willenskraft nach, seinen Willen, all das zu tun. Die Planung, die Choreographie und, vor allem, die Geduld. Boukman hatte nicht aus Zorn gehandelt. Zorn hatte ein klar definiertes Ende, sein Peak war so scharf wie die Abwärtskurve. Boukman hatte aus Hass gehandelt. Und diesen Hass hatte er so lange genährt, dass er durchscheinend und leidenschaftslos geworden war: Boukman hatte sich diesen Hass gegönnt wie ein Hobby.
Ein kleiner Teil von ihm konnte sich einer gewissen Bewunderung für die grausame Genialität all dessen, für die kühl distanzierte Vergeltung, nicht erwehren – auch wenn sie gegen ihn gerichtet war.
»Und dann kam Tameka. Die Hure. Ich habe sie bezahlt. Und du … du hättest sie fast geheiratet.« Max glaubte, Boukman lachen zu hören. »Ich hätte sie dafür bezahlen können, die zweite Mrs. Mingus zu werden, wenn ich gewollt hätte. Aber das wäre zu grausam gewesen.«
»Grausamer, als sie umzubringen?«, fragte Max. Er wusste, dass es eine rein rhetorische Frage war.
»Du hättest nicht herkommen müssen, Max. Du hattest die Wahl. Gefängnis oder Kuba. Aber ich wusste, dass du kommen würdest. Genau wie ich auch wusste‚ dass du den Film nicht rechtzeitig anschauen würdest, um Joe Liston das Leben zu retten. Du bist zu alt, zu langsam, zu blind. Ich kenne dich gut, Max Mingus. Du hast Augen, aber du siehst nicht. Hast noch nie gesehen. Weil du es nie wolltest.«
Boukman schaute zu dem Fernseher und der Person daneben.
»Du hast Joe umgebracht, weil er mein Freund war?«
»Ganz genau.«
»Und Eldon? Warum ihn? Wir hatten uns überworfen.«
»Früher waren wir einmal fast Kollegen, du und ich.«
Max verstand sofort, was er meinte. »Du hast damals mit Eldon zusammengearbeitet?«
»Was glaubst du, warum ich so lange tun konnte, was ich tat?«
»Verstehe.« Max hatte das anhand der FBI-Akten, die er gelesen hatte, bereits vermutet. Eldon hatte Halloween-Dan beschützt, sodass er praktisch unberührbar gewesen war. Das Problem war nur, dass Dan seine Klappe nicht halten konnte. Er musste alle Welt und ihre Mutter wissen lassen, wer er war. Boukman war das genaue Gegenteil gewesen – ein Mann mit einer Million Gesichter, von denen keines sein eigenes war.
»Eldon Burns hat sich gegen mich gewandt«, sagte Boukman. »Als du mit Liston gegen mich ermittelt hast, stand er vor einer einfachen Wahl. Dich loswerden oder mich ersetzen. Er hat dich mir vorgezogen. Kein Wunder. Du warst sein Kronprinz. Er hat dich von Anfang an korrumpiert, aber du hast es nicht gemerkt, weil du ihn nie so kennengelernt hast, wie ich ihn kannte. Du hast ihn nie so gesehen, wie ich ihn gesehen habe. Dabei lag das alles direkt vor deiner Nase, seine Verderbtheit, seine Korruption . Du hättest nur hinsehen müssen, Max. Aber wie ich schon sagte: Du kannst nicht sehen.«
»Deshalb hast du Eldon und Joe eine Kugel in die Augen feuern lassen, richtig? Das war eine Nachricht an mich?«
»Du bist langsam, aber am Ende kommst du doch immer dahinter. Und genau das ist das hier … das Ende.«
»Hast du Vanetta Brown erzählt, wer du bist?«
Boukman antwortete nicht.
Stille senkte sich über den Raum. Auf dem Bildschirm vögelten sich die toten Pornostars die Seele aus dem Leib.
»Hast du noch etwas zu sagen, Max? Irgendwelche letzten Worte?«
»Ja, habe ich«, sagte Max. »Weißt du, Solomon, ich habe gedacht, ich sei krank. Aber … diesen Kuchen hast du dir voll und ganz allein einverleibt. Und leckst dir noch die Finger danach.«
Der dunkle Raum, in den Max die ganze Zeit geschaut hatte, geriet in Bewegung, hellte sich ein klein wenig auf, als wäre ein bisschen Nacht aus ihm herausgesogen
Weitere Kostenlose Bücher