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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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worden.
    »Grüß Eldon von mir«, sagte Boukman.
    Dann stieg er langsam und lautlos die erleuchteten Stufen hinunter.
    58
    Max erinnerte sich, dass er die groß gewachsene, dürre Person neben dem Fernseher schon einmal gesehen hatte. Er erkannte die Pose wieder, die Art, wie er sich hielt. Der Lichtschein des Fernsehers und der Kerzen fing sich in dem metallisch glänzenden Aufdruck auf seinem Hemd: diagonal angeordnete Vögel, Gänse oder Pelikane, die – Schnabel an Bürzel, Flügelspitzen an Schulter – in Formation flogen. Sie hatten die gleiche Form wie die Spiegel im Hotel Zürich. Es war der Mann, den Max auf der anderen Straßenseite gegenüber dem Hotel gesehen hatte, der zu ihm hochgeschaut hatte, als Joe ihn anrief, um ihm mitzuteilen, dass Eldon tot war.
    Der Mann hob einen schwarzen Plastikeimer am Griff hoch und kam auf ihn zu, dabei sorgfältig darauf bedacht, nicht auf das Vévé zu treten. Seine Hose hatte er in Gummistiefel gestopft, deren dicke Sohlen bei jedem seiner anmutigen, vorsichtigen Schritte auf dem Betonfußboden quietschten.
    Als er vor ihm stand, sah Max das Gesicht, das Eldon und Joe unmittelbar vor ihrem Tod gesehen hatten, das er von Wendy Pecks Überwachungsfotos kannte – und dessen noch stärker entstellte, kindliche Version in Vanetta Browns Zimmer an der Wand hing.
    Er hatte noch immer etwas von jenem Kind an sich. Die obere Hälfte seines Gesichts wirkte zart, fast zerbrechlich; die schmale, flache Stirn mit der glatten, schimmernden Haut war nicht von Sorgen oder der Zeit gezeichnet. Seine Augen waren große, leere Flächen, die noch auf Erfahrung warteten.
    Aber der deformierte Mund dominierte. Der breite Spalt, die rechte Hälfte des unteren Gesichts leicht schief, als warte sie auf die Hand, die sie wieder an ihren Platz schob. Die Lippen in der Mitte dünn, ausgefranst und schuppig, wie Stacheldraht mit Glasscherben darin. Rechts und links davon waren die Lippen übervoll, zwei fleischige Schrauben, die alles andere an Ort und Stelle hielten.
    »Du bist Osso, stimmt’s?«
    Er antwortete nicht, aber er war es.
    Er stellte den Eimer auf einer freien Stelle ab, dicht neben Max, dem eine kräftige Benzinwolke ins Gesicht schlug. Die Dämpfe brannten ihm in den Augen und in der Nase, seine Augen tränten. Max musste husten und würgen und drehte den Kopf weg.
    Osso betrachtete ihn mit ausdrucksloser Miene, musterte ihn von rechts nach links und von oben nach unten. Dann zog er einen Malerpinsel aus der hinteren Hosentasche, ging in die Hocke und tauchte ihn in den Eimer. Er rührte den Inhalt mehrmals um, ohne Max aus den Augen zu lassen. Als er fertig war, klopfte er den Pinsel ab.
    Dann ging er neben Max in die Hocke und strich ihm die Füße ein. Die Paste war kalt. Sie brannte sich tief in die offenen Wunden an seinen Fußknöcheln. Max keuchte und stöhnte vor Schmerz.
    Osso war der dürrste Mensch, den Max je lebend und gesund gesehen hatte. Die Höcker seiner Wirbelsäule zeichneten sich deutlich unter seinem Hemd ab, sodass Max an eine große Eidechse denken musste.
    »Dass du Eldon Burns erschossen hast, damit kann ich leben. Ich meine, hätte ich zu der Zeit gewusst, was ich heute weiß, hätte ich ihm selbst zwei Kugeln in den Kopf gejagt.«
    Osso beachtete ihn nicht. Er pinselte Max’ Füße bis hoch zu den Waden ein.
    »Aber Joe … Joe Liston? Nein. Den nicht. Er war ein guter, ein aufrichtiger Mensch. Der hat in seinem ganzen Leben nur Gutes getan. Und du … du hast ihn einfach umgebracht. Du Stück Scheiße. Natürlich wirst du jetzt sagen, es war nichts Persönliches, dass du nur die Anweisungen dieses kranken Idioten ausgeführt hast. Aber weißt du was? Das interessiert mich nicht. Es spielt keine Rolle. Du hast abgedrückt. Du bist genauso schlimm wie er. Genauso schuldig.«
    Osso hielt inne, um ihn anzusehen. Seine Lippen bewegten sich – nur in der Mitte, die Mundwinkel blieben starr. Die Lippen teilten sich, als wollte er etwas sagen, dann schlossen sie sich wieder. Max glaubte, in seinen Augen Wut aufflackern zu sehen, so glasklar und so schnell wie einen Blitz in einer Sonnenfinsternis.
    Osso stand auf und trat hinter Max.
    Max spürte seinen Atem im Nacken, er strich ihm über die Glatze. Dann fing Osso an, ihm die Hände einzupinseln.
    Max drehte den Kopf, um ihn anzusehen.
    »Das Arschloch hat dich adoptiert, stimmt’s? Du bist sein kleiner Junge, richtig? Sagst du auch Papa zu ihm? Du bist mit einer Gaumenspalte geboren worden . Er hat die

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