Todesritual: Thriller (German Edition)
Gürtelschnallen gelöst, Strapse und Verschlüsse geöffnet, Reißverschlüsse heruntergezogen wurden. Er erinnerte sich noch sehr gut an ihre Unterhaltungen, die Stimmen im Einklang mit der Handlung: Will murmelte, Fabiana lachte.
Aber der Fernseher gab keinen Ton von sich.
Keinen Ton.
Dann wieder Schnitt, und eine Sekunde lang war der Bildschirm schwarz, und dieses hohe, piepsende Rauschen, an das er sich noch von dem letzten und einzigen Mal erinnerte, als er diesen Film angeschaut hatte, drang von allen Seiten auf ihn ein und jagte ihm Klingen in den Kopf.
Doch er bemerkte einen Unterschied – nicht im Ton, aber im Film selbst. Da war gerade etwas aufgeblitzt, etwas, das mit dem Porno nichts zu tun hatte.
Ein einziges Bild, das er verpasst hatte – jetzt genauso wie beim ersten Mal.
Als wäre der Fernseher an seine Gedanken angeschlossen, wurde der Film bis kurz vor dem Schnitt zurückgespult und lief dann wieder vorwärts, dieses Mal allerdings in Zeitlupe, Bild für Bild, die Handlung wurde ausgeteilt wie riesige Pokerkarten.
Da war das Rauschen, diesmal langsamer, genau wie der Film selbst.
Was er für weißes Rauschen gehalten hatte, war in Wahrheit eine sehr schnell abgespielte Stimme, die nur einen einzigen Satz sagte.
Er kannte diese Stimme.
Sie hatte sich verändert, was an der Zeit lag und dem Alter und … der Natur.
Die Stimme sagte etwas, das er zum letzten Mal im Jahr 1982 gehört hatte, gesprochen in haitianischem Akzent, jener melodiösen Mischung aus afrikanischen und französischen Klängen, die der Härte des Englischen begegnete, indem sie die abgehackten Vokale ausdehnte und weicher machte.
Es war die Stimme Solomon Boukmans. Seine Zunge war gespalten. Eva Desamours, seine Geliebte und Wahrsagerin, hatte ihm die Zunge in der Mitte zerteilt, und er hatte eine Spange getragen, damit sie nicht wieder zusammenwuchs. Das gehörte zu dem Image, das sie für ihn kultiviert hatte, um ihn als einen Voodoo-Geist erscheinen zu lassen, einen Dämon, der auf die Erde gekommen war. Es sollte den Leuten Angst einjagen und sie glauben machen, er sei mehr als ein normaler Mensch. Im Gefängnis waren die beiden Hälften seiner Zunge wieder zusammengewachsen, die Natur hatte die Wunde geheilt. Den ärztlichen Berichten zufolge war seine Zunge dabei dicker und schwerer geworden und beeinträchtigte seine Sprache. Wenn er zu laut redete, fing er buchstäblich an zu zischen. Er war zu seinem Image geworden, und sein Image war er.
»Du gibst mir Grund zu leben.«
Oder zumindest war es das, was Max zunächst glaubte zu hören.
Aber nein, das war es nicht.
Das war seine Erinnerung, die lauter sprach als das, was er tatsächlich hörte.
Und das war:
»Du gabst mir Grund zu leben.«
Vergangenheit.
Die Dinge hatten sich weiterentwickelt.
Max spürte den kalten Schweiß, der an seinen Schläfen Perlen bildete, ein noch kälteres Gefühl im Magen, Schmerzen und Zittern in den Beinen. Beinah war er froh zu sitzen, weil der Stuhl den Schock abfing.
Dann kam es noch schlimmer.
Der Film war angehalten worden. »Fabiana« und »Will« waren nicht mehr zu sehen, auch nicht das Hotelzimmer.
Etwas anderes wurde ihm gezeigt.
Und ja, er kannte den Anblick.
Er kannte ihn gut.
Wie oft hatte er dieses Foto gesehen? Wie oft hatte er es angeschaut? Eine Million Mal?
Er hatte es interpretiert und immer wieder neu interpretiert, nur um seine Schlussfolgerungen wieder über den Haufen zu werfen und das Foto, das er nun wieder vor sich sah, neu zu deuten. Er hatte es auf unterschiedliche Arten betrachtet, und der Fassungslosigkeit war die Gewissheit gefolgt.
Die Bar La Coupole , Haiti, Dezember 1996. Solomon Boukman stand direkt hinter ihm und hielt ihm mit breitem Grinsen eine Waffe an den Kopf. Max war ahnungslos, sein Blick verlor sich in der Ferne. Die Waffe war seine eigene, eine Beretta. Boukman hatte sie aus Max’ Holster gezogen, ohne dass er es gemerkt hatte, und auf ihn gerichtet. Wie um zu sagen: »Ich hätte dich mit deiner eigenen Waffe erledigen können.« Oder: »Sieh her, ich stehe direkt neben dir, und du kannst mich nicht sehen.« Oder: »Du könntest in diesem Augenblick sterben und hättest noch immer nichts verstanden.« Boukman hatte dafür gesorgt, dass ihm das Foto zugespielt wurde, bevor er Haiti verließ. Er hatte »Du gibst mir Grund zu leben« auf die Rückseite geschrieben. Wie um zu sagen: Ich habe dich nicht vergessen, und ich werde dich nicht vergessen. Max hatte das Foto in
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