Todesritual: Thriller (German Edition)
bereute, jeden Fehltritt. Wieder unterwegs zu sein und Eldons Mörder zu suchen – und echte Arbeit zu leisten – hatte ihm neuen Antrieb gegeben, einen Sinn, hatte ihn dieses langsam sinkende Boot, das sein Leben war, vergessen lassen. Er wollte nicht wieder aufgeben, was er gerade erst begonnen hatte.
Joe wusste, was in ihm vorging.
»Lass es bleiben, Max, hörst du mich?«
»Ich wüsste gern, was dir zu schaffen macht.«
Joe sah ihn an. »Ich hätte dich nicht mit reinziehen sollen.«
»Hast du aber.«
»Und jetzt sage ich dir, du sollst dich raushalten, okay?« Bei diesen Worten wurde seine Miene noch ein klein wenig düsterer, und Max wusste, dass er nicht mehr von ihm erfahren würde, dass das Thema abgeschlossen war.
Eine schwere Stille senkte sich zwischen sie. Max hielt es für das Beste, die Sache fürs Erste auf sich beruhen zu lassen.
Die Kellnerin brachte das Essen. Sie hieß Samantha, zumindest stand das auf ihrem Namensschild. Groß, lange dunkle Haare mit blonden Strähnchen und volle Lippen – ein Mördergeschoss, hätte sie nur nicht ständig so ungemein genervt dreingeschaut. Als Max sie zum ersten Mal gesehen hatte – ein Jahr zuvor –, hatte er vermutet, dass es sie wahrscheinlich rasend machte, womöglich bis ans Ende ihrer Tage als Kellnerin arbeiten zu müssen. Doch dann hatte sie sich umgedreht, und er hatte den Grund ihres Unglücks erblickt: ihren Po. Knackig und stramm, rund und fest, eine der besten Hinterpartien, die er je gesehen hatte. Er passte kaum in den knielangen schwarzen Rock, den sie trug. Auf der Straße blieben die Männer stehen, um diesen Po anzustarren, und saßen wenige Augenblicke später hier im Restaurant. Er war ein Kundenmagnet. Sie tat ihm leid. Er gab sich alle Mühe, ihr nicht auf den Po zu schauen, aber er schaffte es nicht, und so war er, zum Ausgleich, immer so freundlich wie möglich und gab stets ein großzügiges Trinkgeld. Sie schaute nur umso grimmiger drein.
Joe war Max’ Blick gefolgt.
»Bist du immer noch der einsame Wolf?«, fragte er. Er hatte Picadillo a la Criolla mit grünen Kochbananen und gemischtem Salat bestellt.
»Natürlich.« Max nickte. Seit Hurrikan Tameka war er Single. Nicht, dass er von Angeboten überschwemmt worden wäre. Die einzigen Frauen, die ihm einen zweiten Blick schenkten, waren Prostituierte, denen er aus Versehen in die Augen geschaut hatte.
»Und wie läuft es sonst bei dir – in der Ehebrecher-Branche?«, fragte Joe.
Max erzählte ihm von Emerson Prescott und den Ereignissen im Hotel Zürich. Joe brüllte vor Lachen, als Max zu der Szene mit der DVD kam. Er lachte so heftig, dass keiner von beiden weiteressen konnte, bis er sich beruhigt hatte.
Nachdem Joe seine Fassung zurückerlangt hatte, stocherten sie auf ihren Tellern herum, beobachteten die Passanten auf der Straße und gaben ab und an einen Kommentar zur Prozession der Freaks ab. Keiner hatte es eilig. Einen halben Block entfernt auf der anderen Straßenseite klampfte ein Jugendlicher mit Topfschnitt auf einer elektrischen Gitarre und sang mit starkem spanischen Akzent »Brown Sugar«. Eine kleine Menschenmenge hatte sich um ihn versammelt, die Leute warfen Münzen in eine umgedrehte Baseballkappe und filmten ihn mit ihren Handys.
Dann bemerkte Max, wie sich Joes Gesichtsausdruck veränderte. Die gute Laune schwand aus seinen Zügen, als sein Blick zu einem Punkt hinter Max’ rechter Schulter wanderte und etwas hinter ihm fixierte.
»Was siehst du da?«, fragte Max.
Joe antwortete nicht. Er sah Max in die Augen. Er sah ratlos und besorgt aus, als hätte er etwas gesehen, das er nicht ganz glauben oder verstehen konnte. Sein Blick wanderte wieder über Max’ Schulter.
Max drehte sich um. Er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken.
»Was hast du gesehen?«
»Einen Spinner«, sagte Joe und schaute über Max’ andere Schulter.
»Welchen?«
Joe gluckste.
»Echt seltsam«, sagte er. »Ich dachte … Vergiss es. Erzähl weiter.«
Also kehrte Max zu Emerson Prescott zurück und versuchte herauszufinden, was zum Teufel da gelaufen war, aber Joe hörte nicht zu. Was ihm auf der Seele lag, weigerte sich, ihm eine Auszeit zu gönnen.
»Joe«, sagte Max. »Warum erzählst du mir nicht, was los ist? Was soll ich denn schon tun – außer dir zuhören? Gestern warst du noch bereit, dich gegen das ganze System zu stellen. Deinen Lebensunterhalt aufs Spiel zu setzen. Du hast mich gebeten, dir zu helfen, und ich habe es getan. Und ich würde es
Weitere Kostenlose Bücher