Todesritual: Thriller (German Edition)
kam mit einem Stapel Formulare in der Hand herein. Gewelltes, grau meliertes Haar, Pockennarben, müde Augen. Ende vierzig, vielleicht älter. Dunkelgrauer Anzug, weißes Hemd, graue Krawatte mit schwarzem Diamantmuster.
»Ich bin Lieutenant Perez. Mordkommission Miami Beach.« Er streckte ihm eine große Hand hin. »Mein Beileid. Joe Liston war ein guter Kerl und ein guter Polizist.«
»Kennen Sie ihn?«, fragte Max. Falsche Zeitform, dachte er sofort, aber das Bewusstsein über einen solchen Verlust kam bei ihm immer in kurzen, abrupten Schritten. Es würde eine Weile dauern, bis er begriff und irgendwann auch akzeptierte, dass Joe nicht mehr da war.
»Wir haben ein paar Mal zusammengearbeitet«, sagte Perez.
Was wohl bedeutete, dass Joe ihn gelegentlich angerufen hatte, wenn in Miami ein Tourist zu Schaden gekommen war – meist irgendwelche Ortsfremden, die in Liberty City oder Little Haiti Stoff zu kaufen versuchten, zu allem Übel noch gönnerhaft ein bisschen Rap-Jargon und Gang-Signing einflochten und dabei weit außerhalb ihrer Gewässer fischten. Seit zehn Jahren hatte sich Joe über die Polizei von Miami Beach lustig gemacht. Er nannte sie die »Baywatch-Bullen«. Ihre Aufgabe bestehe vor allem darin, in Uniform gut auszusehen und die Menschen davor zu bewahren, in Sex und Drogen zu versinken – und das auch nur, wenn sie nach Hilfe riefen.
»Tut mir leid, dass Sie warten mussten. Wir mussten zuerst ausschließen, dass Sie zu den Verdächtigen gehören. Hat eine Weile gedauert. Es gab einige Zeugen, mit denen wir sprechen mussten.«
»Haben Sie den Mörder identifiziert?«
»Wir haben eine Beschreibung, ja. Eine gute Beschreibung. Er ist verschwunden, aber wir sind ihm auf den Fersen«, sagte Perez.
»Schwarz, über eins achtzig, Hasenscharte, Hemd mit Vögeln drauf?«
»Ganz genau. Sie haben ihn auch gesehen?«
»Nein«, sagte Max. Perez runzelte die Stirn. »Das ist der Mann, der Eldon Burns erschossen hat.«
»Woher wissen Sie das?« Perez warf einen Blick in die Kamera, die hinter Max hing.
»Gleiche Vorgehensweise. Ich habe in dem Fall ermittelt.«
»Sie haben im Mordfall Eldon Burns ermittelt? Nichts für ungut, Max, aber Sie sind seit fast dreißig Jahren nicht mehr bei der Polizei. Was bedeutet, Sie sind Zivilist. Was bedeutet, dass Sie offizielle polizeiliche Ermittlungen behindern.«
»Nichts für ungut, Lieutenant, aber viel ermittelt wird da nicht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Die Kollegen, die mit Eldons Fall befasst sind, glänzen nicht gerade mit Arbeitseifer.«
»Was soll das heißen?«
»Haben Sie bei Joe eine Patronenhülse in einem Plastikbeutel gefunden?«
»Haben wir.«
»Die habe ich ihm heute Abend ausgehändigt. Der Besitzer der Buchhandlung Swopes hat sie mir gegeben. Der Laden liegt ein paar Blocks von Eldons Boxstudio entfernt. Wenige Minuten, nachdem auf Eldon geschossen worden war, hat der Mörder um ein Haar einen Obdachlosen namens White Flight über den Haufen gefahren, und zwar auf der Straße hinter dem Buchladen. White Flight hat den Mörder in seinem Auto angegriffen …«
»Sie haben Informationen über das Auto des Mörders?« Perez war überrascht. Wieder schaute er hoch in die Kamera. Max war versucht zu fragen, wer ihnen am Bildschirm zusah, aber eigentlich wollte er nur so schnell wie möglich raus.
»Ein brauner Sierra«, sagte er. »Ich habe heute im Krankenhaus mit White Flight gesprochen. Der Schütze hat ihm in den Hals geschossen, aber er lebt.«
»White Flight?« Perez notierte sich den Namen. »Ist er unter diesem Namen im Krankenhaus aufgenommen worden?«
»Ja. Er hat ausgesagt, der Schütze sei nicht gefahren. Was bedeutet, dass er einen Komplizen hat.«
»Das wissen wir bereits«, sagte Perez.
»Woher?«
»Ihre Fingerabdrücke sind auf den Patronenhülsen.«
» Ihre Fingerabdrücke? Der Mörder ist männlich.«
»Die Fingerabdrücke nicht.«
»Heißt die Komplizin Vanetta Brown?«
Perez blickte verdutzt drein.
»Hat Joe Ihnen das erzählt?«
»Er hat ihren Namen genannt, kurz bevor er erschossen wurde. Mehr hat er nicht gesagt«, sagte Max. »Wer ist das?«
»Wir glauben, dass sie dahintersteckt.«
»Wer ist das?«, wiederholte Max.
»Das muss vor Ihrer Zeit gewesen sein. Auf jeden Fall vor meiner«, sagte Perez. »In groben Zügen: Vanetta Brown leitete in den Sechzigerjahren eine Organisation, die sich Schwarze Jakobiner nannte. Hier in Miami. Das waren die Black Panther von Florida. 1968 erschoss sie einen
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