Todesritual: Thriller (German Edition)
zwar mit Mühe und Not gelungen, aber drinnen hatte er feststellen müssen, dass er kaum den Kopf drehen, geschweige denn die Kamera vors Gesicht heben konnte. Dann war er mit einem Fuß durch den Schrankboden gebrochen. Und so hatte er auf die noch ungeliebtere Methode zurückgreifen müssen: sich ins Zimmer schleichen, während die beiden vögelten. Eine hochriskante Strategie. Seine Arbeit stand und fiel mit seiner Unsichtbarkeit. Wenn er die verlor, verriet er seinen Klienten.
Dankenswerterweise fand er eine Lösung. Die Zwischentür ging von rechts nach links auf. Er brauchte sie nur zehn Zentimeter weit zu öffnen, um ungehinderte Sicht aufs Bett zu haben und so viele Fotos zu schießen, wie er wollte, ohne gesehen zu werden. Er musste Zimmer 30 nicht einmal betreten.
Problem gelöst. Alles bereit.
Um 19:56 Uhr schaltete Max seine Kamera ein – eine Spiegelreflex von Canon mit sehr gutem Leica-Objektiv, die zehn Fotos pro Sekunde schoss – und stellte sich an der Zwischentür auf. Fabiana hatte noch nicht zu schreien angefangen, aber ihr Stöhnen wurde lauter. Genau wie Cortlands Schnaufen und Keuchen.
Es war so weit.
Er legte die Hand auf die Klinke und zog sie ruckartig wieder zurück, als eine schmierige Welle der Übelkeit durch seine Magengrube schwappte und er würgen musste.
Er hatte sich immer geschworen, keine Scheidungsfälle zu übernehmen, schon seit er zum allerersten Mal mit dem Gedanken gespielt hatte, den Polizeidienst zu quittieren und Privatdetektiv zu werden. Dieses schäbige Paparazzi-Dasein war nichts für ihn. Klar, die Bezahlung war gut und die Aufträge zahlreich, und neben der Wirtschaftskriminalität war es der sicherste Zweig in seiner Branche – schlimmstenfalls riskierte man ein blaues Auge oder eine geplatzte Lippe, wenn der Ehebrecher schnell genug in die Hose springen konnte, um einen einzuholen. Aber Max hatte so nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten wollen. Er wollte Menschen helfen, nicht Ehen zerstören und Scheidungsanwälte reich machen.
Das Leben hatte die dumme Angewohnheit, einem die Prinzipien zu vergiften.
Er ließ das Gefühl vorüberziehen und öffnete die Tür einen Spalt breit. Sie hatten das Licht angelassen. Fabiana schrie: »Mi ángel!« Cortland schnaufte und keuchte, abwechselnd. Max war sicher, dass sie im ganzen verdammten Hotel zu hören waren.
Er stieß die Tür ein Stück weiter auf, und im Sucher erschien das Bett. Max sah Weiß. Nur Weiß. Er zoomte heran. Nichts. Er zoomte wieder weg. Jetzt hatte er das ganze Bett im Blick: Laken, Kissen, bläuliche Schatten am Rand.
Niemand drin.
Im Zimmer wurde es immer lauter, die beiden schrien im Chor. Vielleicht waren sie auf dem Fußboden.
Max senkte die Kamera und spähte durch den Türspalt. Er konnte fast das ganze Zimmer sehen. Und was er nicht sah, war zu klein für zwei Menschen. Er war verwirrt. Er konnte sie doch hören. Sie waren gellend laut. Trotzdem war das Zimmer offensichtlich leer.
Er stieß die Tür ganz auf und tat ein paar vorsichtige Schritte. Jetzt stand er in Zimmer 30. Er schaute sich um. Das Bett war unberührt. Frisch bezogen.
Er schaute im Badezimmer nach – ebenfalls leer.
Er war perplex. Tausend Fragen schwirrten ihm durch den Kopf.
Dann sah er den Fernseher.
Auf dem Bildschirm wurde eine dunkelhaarige Frau auf allen vieren von einem großen, blonden Mann gevögelt, dessen Arme über und über tätowiert waren. Der Mann war Will Cortland. Und die Frau Fabiana Prescott. Auch sie war tätowiert: zwei ineinander verschränkte Herzen auf dem unteren Rücken, ein Teufelchen mit Forke seitlich auf dem Bauch, ein Sternenregen auf dem Oberschenkel.
Der Film kam von einer DVD, die Geräusche waren die, die sich Max in den letzten drei Wochen eingeprägt hatte.
Er stand da und starrte benommen und blicklos in den Fernseher und überlegte, was soeben passiert war, was hier gelaufen war.
Dann schaute er genauer hin. Das Poster, das in dem Film über dem Bett hing, war just das aus Zimmer 30. Die Aufnahmen waren hier gedreht worden, in diesem Zimmer.
Max zog die Zimmertür auf und spähte auf den Flur. Leer und verlassen. Komisch für einen Donnerstagabend, dachte er. Um diese Zeit kamen normalerweise die Ausgehwütigen von außerhalb in die Stadt.
Er ging zurück ins Zimmer und schaute aus dem Fenster auf die Straße hinunter, aber er wusste, dass er die beiden nicht sehen würde.
Er schaltete den Fernseher aus und ließ sich die DVD auswerfen.
Sie war
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