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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Nacht durch und konnten am Montagvormittag bestätigen, dass das Mädchen in dem Wagen gewesen war. Die angeforderten Listen über Flugpassagiere, die früh am Sonntagmorgen das Land verlassen hatten, gingen bei der Kriminalpolizei ein. Der Besitzer des Autos wurde vernommen, aber er schwor hoch und heilig, dass ihm das Auto gestohlen worden war.
    Erlendur wollte gerade das Büro verlassen, als das Telefon klingelte.
    »Leitest du die Ermittlung im Fall des Friedhofmädchens?«, fragte eine leise, zögerliche Stimme.
    »Ja«, sagte Erlendur und setzte den Hut auf.
    »Ich war mit ihr befreundet«, sagte der Mann am Telefon so leise, dass Erlendur ihn kaum verstehen konnte.
    »Wer ist da am Apparat?«, fragte er und versuchte, nicht scharf zu klingen.
    »Sie war da bei ihm in seinem Ferienhaus …«
    Was darauf folgte, verstand Erlendur nicht.
    »Wer? Was für ein Ferienhaus?«
    »Das verdammte Schwein«, sagte die Stimme. »Diese elenden, verfluchten Schweine. Sie haben sie kaputt gemacht …«
    Dann brach die Verbindung ab.

Sechs
    Am Sonntagabend stattete Sigurður Óli der Zeugin Bergþóra einen Besuch in ihrer Wohnung am Aflagrandi ab. Er redete sich ein, dass er einem offziellen Auftrag nachging und nicht seinem privaten Interesse. Er hatte sich auf Anhieb zu Bergþóra hingezogen gefühlt. Da war etwas an ihr, etwas in ihrem Gesicht, das ihn anrührte, etwas in ihren Bewegungen, das ihn nicht gleichgültig ließ. Etwas in ihrer Stimme, das ihn zum Zuhören zwang. Er redete sich ein, dass es nichts mit ihrer ungewöhnlichen und unangenehmen Geschichte auf dem Friedhof zu tun hatte.
    Sigurður Óli hatte allein gelebt, seit er vor vier Jahren aus den Vereinigten Staaten nach Island zurückgekehrt war, und immer nur kurze Beziehungen ohne Zukunft gehabt. In der letzten Zeit dachte er aber immer häufiger darüber nach, ob er sich nicht auf etwas Ernstes einlassen sollte. Fast alle seine Freunde waren verheiratet oder in festen Händen, es war daher nicht einfach, irgendjemanden am Wochenende dazu zu bewegen, mal eine Nacht durchzufeiern. Er fand es öde, allein in Bars und Clubs herumzulungern, und selbst wenn er etliche Bekannte traf, aus den Zeiten, als er noch in Reykjavík Politikwissenschaft studierte, oder ihn einer seiner Kollegen ansprach, war es auf die Dauer langweilig, weil sich die Gespräche immer wieder um die gleichen Themen drehten. Manchmal wurde er auch von Leuten belästigt, mit denen er sich von Berufs wegen hatte befassen müssen.
    Und dann war es so eine Sache, mit Frauen Bekanntschaft zu schließen. Stets und immer wieder dasselbe Vorspiel. Mit einem Satz war Sigurður Óli lange erfolgreich gewesen: »Sag mal, kennen wir uns nicht vom Jurastudium?« In letzter Zeit hatte er bei diesem Satz das Jurastudium durch Informatikstudium ersetzt, was genauso wirkungsvoll war. Die gleichen Überlegungen, ob man gemeinsame Freunde oder Bekannte hatte: »Ach, war die mit deinem Bruder zusammen? Ich kann mich aber eigentlich nicht so richtig an sie erinnern.« Sowohl die Frauen als auch Sigurður Óli wurden älter, und bevor er sich versah, hatte er die dreißig überschritten, und nun waren etliche nach einer Scheidung wieder auf dem freien Markt. Es konnte sogar passieren, dass Exehemänner draußen an der Tür eines Hauses herumhämmerten, in dem er gelandet war, und auf Teufel komm raus in Erfahrung bringen wollten, wer mit der Exfrau im Bett lag. Wenn er mit dem Arm unter dem Kopf einer Frau aufwachte, die er nie zuvor gesehen hatte, hätte er sich manchmal den Arm am liebsten abgehackt. Und dann die Taxis am nächsten Morgen. In aller Herrgottsfrühe aus einem unbekannten Bett kriechen und im Rückspiegel eines Taxifahrers festgeklemmt zu sein, der ganz genau wusste, was abgelaufen war.
    Am meisten fiel aber wohl ins Gewicht, dass Sigurður Óli in seinem einsamen Singledasein angefangen hatte, ziemlich viel zu trinken. Äußerlich merkte man ihm nichts an, denn er sah immer gepflegt aus, achtete sehr auf seine Kleidung und ging regelmäßig ins Fitnesscenter und ins Sonnenstudio. Es fiel ihm nicht schwer, Kontakte zu knüpfen, nicht zuletzt zum weiblichen Geschlecht. Er war groß und schlank, gut aussehend und gesprächig. Ein Mann, der geradlinig war und hundertprozentige Arbeit leistete, wenn er einmal etwas in Angriff nahm. Er war ambitioniert und legte großen Wert darauf, bei der Kriminalpolizei Karriere zu machen, hatte aber etwas Überhebliches an sich, und nicht wenige fanden, dass er

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