Todesrosen
Barkeeper. »Die ist nie hier gewesen, das würde ich sonst wissen. War sie eine Nutte?«
»Könnte sein.«
»Hier kommen keine Nutten rein, wegen der geschäftlichen Interessen, verstehst du.«
»Die könnten ja den Tänzerinnen die Kunden abspenstig machen.«
»Genau. Das heißt aber nicht, dass das hier ein mieser Puff ist. Weit davon entfernt, das hier ist knallhartes Business.«
Das Mädchen auf der Tanzbühne versuchte gerade, sich ihres Büstenhalters zu entledigen, schien aber Probleme damit zu haben. Der Mann, der halb auf der Bühne gelegen hatte, kam wieder zu sich, aber als er aufzustehen versuchte, gaben die Beine nach, und er ging zusammen mit dem Barhocker zu Boden. Seine beiden Nachbarn bemerkten es noch nicht einmal.
»Bietet ihr solche Dienste den Kunden auch zu Hause an?«, fragte Erlendur und beobachtete, wie der Mann wieder auf die Beine zu kommen versuchte, während die Blondine endlich ihren Büstenhalter frei bekam.
»Dienste zu Hause?«
»Falls ich gern ein Mädchen hätte, könnte ich dann bei euch anrufen, und ihr würdet mir eins besorgen?«
Der Barkeeper schwieg.
»Mich interessiert nicht, was ihr hier tut und treibt«, erklärte Erlendur. »Ihr könnt von mir aus Nutten anbieten, so viel ihr möchtet.«
»Ich kapier nicht, worauf du hinauswillst. Meinst du vielleicht Homeservice?«
»Wenn ich beispielsweise allein zu Hause bin, oder im Ferienhaus. Oder wenn ich mit meinen Kumpels auf Angeltour bin. Würdet ihr mir da Mädchen besorgen können?«
»Ich denke schon, dass theoretisch alles machbar ist, auch Homeservice.«
»Gibt es da irgendwelche bestimmten Ferienhäuser, die ihr bedient?«
Jetzt erklang wieder das Hohoho, und der Mann trat einen Schritt zurück. »Auch wenn du mich einbuchtest und auf den elektrischen Stuhl bringst, von Sommerhäusern weiß ich nichts.«
»Auf den elektrischen Stuhl?«, fragte Erlendur.
»Ja, whatever. Unsere Mädchen sind Tänzerinnen, und es kann vorkommen, dass der eine oder andere Kunde ein Mußestündchen mit den Künstlerinnen verbringen möchte, und das ist weder illegal noch unmoralisch, denn was die Mädchen außerhalb der Arbeitszeit machen, geht mich nichts an. Diese location ist total legal, und ich will hier keine negativen vibes, weder von dir noch von anderen.«
Erlendur besuchte am gleichen Abend zwei weitere Striplokale, und als er am späten Abend im Bett lag, allein wie gewöhnlich, wusste er einiges mehr über den Homeservice von Tanzkünstlerinnen. Wie gewöhnlich konnte er nicht einschlafen. Da war etwas, was ihn noch mehr störte als die nächtliche Helle, und er brauchte lange, bis er herausfand, was es war.
Als es ihm wieder eingefallen war, konnte er endlich einschlafen.
Do you like girls?
Acht
Elínborg zog das Foto von der Tätowierung des Mädchens, das die Spurensicherung bereitgestellt hatte, aus ihrer Handtasche und zeigte es dem jungen Mann. Die Tätowierung war vergrößert worden und füllte das Bild ganz aus. Es war früh am Montagmorgen, und Elínborg und Þorkell klapperten weitere Tattoo-Studios in Reykjavík ab. In diesem Fall waren sie einfach den Geräuschen nachgegangen. Der Mann, der nun vor ihnen stand, arbeitete in der Garage seines Vaters und war kaum älter als zwanzig. Die Wände in der Garage waren zugepflastert mit Plakaten von Heavy Metal Bands, und aus überdimensionalen Boxen dröhnte ohrenbetäubender Lärm. Zwei, drei Motorradanzüge aus Leder lagen herum, und jede Menge leere Bier- und Schnapsflaschen. Vor der Garage stand ein großes Motorrad, doch weder Elínborg noch Þorkell hätten sagen können, ob es sich dabei um eine schnelle und angesagte oder um eine lahme Maschine handelte. Die armen Eltern hatten den Jungen offenbar wie störendes Gerümpel in die Garage ausquartiert, überlegte Elínborg, die einen Sohn im gleichen Alter hatte. Ich kann es ihnen nicht verdenken, dachte sie. Ihr Sohn schlief im Zimmer neben ihnen und hörte in voller Lautstärke den ganzen Tag Roger Whittaker.
»Das Tattoo da kenn ich nicht«, erklärte der Junge, nachdem es ihnen endlich gelungen war, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Er war recht stämmig, hatte dichtes, schwarzes Haar, das wie eine Mähne den Rücken hinunterhing, und jedes sichtbare Fleckchen Haut war mit aufwendigen Tätowierungen bedeckt.
»Nein, das kenne ich nicht. Das ist eine ganz miese Arbeit, primitiv, hässlich und ohne jegliches Finish. Keinen Sinn für künstlerische Feinheiten. Das war ein absoluter
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