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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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sehr von sich eingenommen war. In letzter Zeit kam es immer häufiger vor, dass er innerhalb kürzester Zeit sturzbesoffen war und sich hinterher an nichts mehr erinnern konnte. Der schlimmste Vorfall war vor sechs Monaten gewesen, und seitdem hatte er versucht, seinen Alkoholkonsum zu drosseln, denn er hatte es mit der Angst bekommen. Glücklicherweise war er in seinem eigenen Bett aufgewacht und konnte sich nur dumpf und dunkel daran erinnern, sturzbetrunken in der Innenstadt auf dem Laugavegur herumgewankt zu sein. Als er aufwachte, lag er auf dem Rücken und war nicht imstande, sich zu rühren, weil ihm sämtliche Knochen weh taten, am meisten aber das Steißbein und die rechte Hüfte. Wenn er versuchte, sich zu bewegen, durchzuckte ihn der Schmerz bis in die Wirbelsäule hinauf. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er nach Hause gekommen war, und wusste nur, dass er nackt auf seinem eigenen Bett lag. Auf dem Nachttisch fand er einen Zettel, auf dem stand: Es war verdammt schwierig, dich nach Hause zu schleppen, unterschrieben mit: zwei »Superamis«. Es fehlte nicht viel, und er hätte angefangen zu heulen.
    Bergþóra öffnete die Tür und ließ ihn herein. Er hatte sich telefonisch für neun Uhr angemeldet, und Punkt neun war er zur Stelle.
    »Es geht nur um ein paar Details«, log er, während er sich auf demselben Sessel niederließ, in dem er auch in der Nacht zuvor, als er zusammen mit Erlendur bei Bergþóra war, gesessen hatte. Die Abendsonne zwängte sich durch die Jalousien herein und dekorierte die Wohnung mit rötlichen Streifen. Das Muster erinnerte ihn an eine fette, rot getigerte Katze. Bergþóra nahm ihm gegenüber Platz.
    »Ich habe mir zwar den ganzen Tag den Kopf über diesen Mann und das tote Mädchen zerbrochen, aber ich fürchte, dass ich nichts Neues beisteuern kann.«
    »Er muss im Auto gekommen sein, und wir untersuchen im Augenblick ein Auto, das möglicherweise in Verbindung mit diesem Fall steht. Es könnte ja sein, dass er, vom Stadtzentrum kommend, zum Friedhof gefahren ist und du das Auto gesehen hast.«
    »Ich habe kein Auto vor dem Tor halten sehen«, entgegnete Bergþóra.
    »Wir haben dich heute Morgen danach gefragt, ob du glaubst, dass dieser Mann dich gesehen hat, und du hast gesagt, du wüsstest es nicht.«
    »Mir ist nicht ganz wohl bei der ganzen Sache. Ich habe mir die Nachrichten im Fernsehen angesehen, und da hieß es, die Polizei habe eine Zeugin, die auf die Leiche gestoßen sei, und diese Zeugin habe einen Mann gesehen, der den Friedhof verließ, kurz bevor die Leiche gefunden wurde, und dass diese Zeugin im Westend wohnt. Falls es sich um einen Triebtäter handelt, der es auf Frauen abgesehen hat, würde der sich nicht diese Zeugin krallen wollen?«
    »Darauf deutet im Augenblick nichts hin«, sagte Sigurður Óli äußerst erfreut darüber, dass das Gespräch die Richtung nahm, die er sich gewünscht hatte. »Die Palette von Mördern hier in Island ist ziemlich armselig. Aber wenn du möchtest, kann ich veranlassen, dass du in irgendeiner Form Polizeischutz erhältst, da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wir könnten dir ein kleines Sendegerät überlassen, das du immer bei dir trägst und bei Bedarf benutzt. Wir können auch dafür sorgen, dass eine Polizeistreife hier in der Nähe eine bestimmte Runde abfährt. Oder ich könnte ab und zu bei dir nach dem Rechten sehen«, fügte er ganz zum Schluss hinzu.
    »Eigentlich passt mir eine solche Überwachung überhaupt nicht«, erklärte Bergþóra. »Sendegeräte und Streifenwagen und dergleichen. Kann ich nicht einfach mit dir in Verbindungbleiben?«
    »Absolut«, erwiderte Sigurður Óli prompt und versuchte, nicht zu überschwänglich zu klingen, aber das gelang ihm nicht besonders gut. Er war hingerissen von dieser Frau, und das schien sie zu spüren.
    »Du darfst nicht glauben, dass dieses Zwischenspiel da auf dem Friedhof typisch für mich ist«, sagte sie und sah ihn direkt an. »Ich hab keinen an der Waffel, was das angeht. Das war eine momentane Ausfallserscheinung.«
    Sigurður Óli strahlte in der Abendsonne.

Sieben
    Drinnen war es schummrig, und eine unangenehme Geruchsmischung aus Rauch, Alkohol und Schweiß schlug ihm entgegen, als er zum Tresen ging. Das Lokal hieß »Boulevard«, wurde aber nur »die Bulle« genannt. Es war eines der wenigen Striplokale in der Stadt. Die Stripperinnen wurden aus Kanada, den skandinavischen Ländern und seit neuestem auch aus dem Baltikum eingeflogen. Ihre

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