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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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und voller Ausflüchte, die immer mehr Raum einnahmen, je mehr Zeit verstrich. Er schaffte es nicht, sie von den Drogen abzubringen, im Gegenteil, die Sucht schien sich ständig zu steigern. Sie nahm alles, was ihr in die Finger kam. Sie zeigte ihm, was man mit einer Bohrmaschine, einem Holzklötzchen und einer Dose Lack bewerkstelligen konnte, indem sie das Holz an der Bohrmaschine befestigte und den Lack so lange rührte, bis das Lösungsmittel sich getrennt hatte und man es trinken konnte. Immer wieder klaute sie Lackdosen oder Teppichleim. Sie stopfte Pillen in allen Größen, Formen und Farben in sich hinein. Sie schlich sich in Krankenhäuser und leerte die Medizinschränke auf den Stationen. Sie hatte Spraydosen mit Lack, Farbe oder was auch immer, sprühte es in eine Papiertüte und inhalierte, bis ihr Gesicht blau anlief. Sie sniffte Kleber und Gas und trank eigentlich alles außer Benzin. Wenn sie Geld hatte, kaufte sie Speed, LSD und Crack, und seit geraumer Zeit spritzte sie sich Heroin.
    Wenn sie sich neue Klamotten zulegen wollte, tat sie das an sogenannten Leinentagen, wie sie das nannte. Dann schlich sie sich in die Gärten von Leuten, die ihre Wäsche draußen aufhängten, und stahl sich so ihre Sachen zusammen. Sie klaute aber auch in Geschäften. Es war eigentlich ein Wunder, dass sie nur so selten mit der Polizei in Berührung gekommen war, immer nur wegen belangloser Ladendiebstähle, nichts, wofür sie ins Strafregister aufgenommen worden wäre. Und während der ganzen Zeit hatte sie Therapieeinrichtungen wie die Pest gemieden. Sie hatte nie um Hilfe gebeten und nie Hilfe akzeptiert.
    Er kannte diese seltsamen Wörter nicht, die sie für die Drogen verwendete. Wie die meisten wusste er vom Hörensagen, was Crack, Hasch und Speed war, aber es gab da noch viele andere Sachen, die Ticket hießen oder Horse und Pot, oder sich eine Bong reinziehen. Er fand, dass Shit ein sehr passendes Wort für das ganze Gift war, in seinen Augen war das alles nichts als Scheiße.
    »Sag mir doch, was los ist«, bat er manchmal, aber sie fauchte ihn nur an, er solle sie in Ruhe lassen. Er musste ihr das Versprechen geben, sich nicht einzumischen in die Art und Weise, wie sie ihr Leben lebte. Das war das einzige Versprechen, das sie ihm abnahm: sich nicht einzumischen. Für ihn war es am schlimmsten, mitansehen zu müssen, wie sie anschaffen ging, um sich Drogen kaufen zu können. In seiner Verzweiflung überließ er ihr so viel Geld, wie er entbehren konnte, aber das war nicht sehr viel. Als er sah, dass er ihr alles andere als einen Gefallen damit tat, hörte er auf damit. Sie besorgte sich mit dem Geld nur noch mehr und noch teurere Rauschmittel. Stattdessen bezahlte er ihre Miete, bevor sie zu ihm in die Kellerwohnung in Breiðholt zog, und kaufte ihr etwas zu essen, auch wenn es nur wenig half. Zu Anfang hatte er ihr strikt verboten, mit ihren Kunden in seine Wohnung zu kommen, aber auch da kapitulierte er zum Schluss und achtete nur noch darauf, nicht zu Hause zu sein, wenn es passierte.
    Trotzdem begegnete er manchmal diejenigen, die sie anschleppte. Häufig genug waren es entsetzlich alte Knacker, wie der, mit dem er sie zuerst in der Hverfisgata gesehen hatte. Oder ältere Herren in teuren Mänteln, hin und wieder aber auch Jungen, die zu zweit oder zu dritt kamen, und ganz selten Frauen.
    So gesehen hatte sie einigermaßen geregelte Einkünfte, außerdem dealte sie. Hin und wieder schwamm sie in Geld und Drogen, wenn sie nach Kopenhagen, Amsterdam oder Paris geflogen war und Rauschgift ins Land geschmuggelt hatte. Sie war Kurierin und in dieser Berufssparte eine Meisterin ihres Fachs. Kaum geschminkt und mit veränderter Haarfarbe, womöglich sogar mit Zöpfen, mit unauffälliger Kleidung und geringfügigem schauspielerischen Einsatz konnte sie wie ein Mädchen im Konfirmationsalter wirken und nicht wie eine total verlebten zwanzigjährige Drogenabhängige, die auf den Strich ging. Sie hatte sich darauf spezialisiert, es so aussehen zu lassen, als sei sie in Begleitung von ihren Eltern oder Großeltern unterwegs; sie hängte sich einfach an irgendwelche Mitreisende und tat so, als gehörte sie zu ihnen. Mit ihrem kindlichen kleinen Täschchen in der Hand blieb sie stets in der Nähe irgendwelcher Ehepaare, sodass der Eindruck entstehen musste, sie gehöre zur Familie.
    In dieser Hinsicht war sie unschätzbar für Leute wie Herbert. Sie arbeitete für ihn, und er bezahlte sie mit Dope, das ihr den

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