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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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seinen blauseidenen Hausmantel mit dem chinesischen Dekor glatt. Das Grinsen auf seinem Gesicht war verschwunden. »Es war umgekehrt. Sie hat ihn umgebracht. Es stimmt, dass der Mann bestimmte Präferenzen im Hinblick auf Sex hatte; er schlug bei ihrem letzten Zusammentreffen länger und heftiger zu, aber dafür gab es einen Grund, und der war ein anderer als dieses kindische Geschwätz über Landflucht und Bauboom. Auf diesem letzten Treffen gestand sie ihm in der Hitze des Gefechts, wie es um sie stand. Der Mann war verständlicherweise geschockt, aber umgebracht hat er sie nicht. Sie hat ihm die Wahrheit ins Gesicht geschrien, ihm gesagt, dass sie mit dem Virus infiziert war. Sie hatte Aids.«
    »Und der Mann flog in die Vereinigten Staaten, um den Test machen zu lassen«, schaltete sich Sigurður Óli ein.
    »Dieser Mann hatte den Service des Mädchens über längere Zeit in Anspruch genommen. Als ihm klar wurde, dass sie sich ihm auch weiterhin zur Verfügung gestellt hatte, nachdem sie von ihrem Zustand wusste, überfielen ihn verständlicherweise Wut und Angst. Er flog noch am gleichen Wochenende in die USA. Als prominente Persönlichkeit in Island war es einfacher für ihn, den Test dort machen zu lassen, hier hätte sich das bald herumgesprochen. Er flog in eine amerikanische Privatklinik, in der er sich auch schon vorher hatte behandeln lassen. Gestern erhielt er telefonisch den Befund. Er ist das, was man HIV-positiv nennt.«
    »Und brachte das Mädchen deswegen um«, sagte Sigurður Óli.
    »Ganz und gar nicht. Sie war am Leben, als er sie zuletzt sah.«

Achtunddreißig
    Als Janus das Bewusstsein wiedererlangte, hatte er das Gefühl zu ersticken. Er bekam kaum Luft, und das, was er einsog, bestand nur zu einem geringen Teil aus Sauerstoff. Seine Augen brannten entsetzlich, und er fühlte sich wie seinerzeit im Laderaum des Schiffs, als er ertrank. Herbert und der Milchbart hatten ihn so zusammengeschlagen, dass es überall weh tat. Sein Arm musste gebrochen sein. Der ganze Kopf war voller Blut, die Augen hinter dicken Schwellungen versunken, die Nase gebrochen, und Bauch und Seiten schmerzten. Unerträgliche Schmerzen am ganzen Körper.
    Ihm kam es so vor, als würden seine Füße in Flammen stehen.
    Er verlor wieder das Bewusstsein, aber nur für kurze Zeit. Er versuchte, die Augen zu öffnen, aber das ging nicht. Tiefe Finsternis umgab ihn. Er wusste nicht, ob er irgendwo lag und aufrecht festgebunden war. Er versuchte, sich zu bewegen, aber nichts geschah. Er hatte aber das Gefühl, ein wenig zu schaukeln, so als hänge er in der Luft, und unter ihm war diese furchtbare, sengende Hitze.
    Er hatte geglaubt, sie würden nie aufhören. Der Schläger sauste immer wieder und so lange auf ihn nieder, bis Herbert anfing zu schnaufen. Sein Schwall von Flüchen verebbte. Der Milchbart hielt sich zurück, bis Herberts Kräfte ihn verließen und er zum Schluss einfach mit dem Baseballschläger in der Hand zu Boden sank. Dann übernahm der Milchbart, der Janus so schwere Hiebe in den Unterleib und an den Kopf versetzte, dass der das Bewusstsein verlor und umkippte wie ein nasser Sack.
    Nicht die körperlichen Schmerzen waren das Schlimmste, sondern das nur allzu bekannte Erstickungsgefühl, das ihn überfiel und lähmte. Wie heftig er auch nach Luft schnappte, er atmete keinen Sauerstoff. Zuerst dachte er, sie hätten ihm eine Plastiktüte über den Kopf gezogen, und versuchte, sie abzuschütteln. Aber da war keine Plastiktüte.
    Und die Augen! Mein Gott, wie die brannten. Es war, als versuchte jemand, sie ihm mit einer kleinen Nagelfeile auszustechen.
    »Hilfe!«, versuchte er, mit schwacher Stimme zu rufen, aber kein Laut drang aus ihm heraus. Er atmete die rauchgeschwängerte Luft durch Mund und Nase ein, schnappte danach, japste, sog sie ein, schmeckte aber nur den heißen, beißenden Rauch. Er spürte, wie Schuhe und Hosen versengt wurden, und sein Fleisch schien zu schmoren.
    Bevor ihm wieder die Sinne schwanden, kreisten seine letzten Gedanken um Birta zu Hause bei ihm in der Wohnung in Breiðholt, nachdem sie von Kalmann zurückgekommen war, und um das, was er getan hatte.
    Er hatte ihr gesagt, dass er wusste, wie es war, zu sterben. Jetzt war er sicher in der Hölle.
    Er musste in der Hölle sein wegen dem, was er Birta angetan hatte.

Neununddreißig
    »Merkwürdig, dass er sich nicht über die Gefahr im Klaren war?«, sagte Sigurður Óli und blickte Kalmann an, der ihnen in seinem chinesischen

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