Todesrosen
aufgetaucht …«, begann Erlendur, aber Kalmann unterbrach ihn.
»Wie geht es eigentlich deiner Tochter? Wie war doch noch ihr Name?«
Er wartete auf eine Antwort von Erlendur. Seit ihrem letzten Treffen hatte Kalmann sich Informationen über den Mann beschafft, der die Ermittlungen in dem Mordfall leitete, und dabei herausgefunden, dass er etliche Schwachstellen hatte, und diese war seine schwächste. Er genoss es zu sehen, wie Erlendur sich zusammenreißen musste, um Kalmann nicht den Gefallen zu tun, eine Reaktion zu zeigen. So zu tun, als sei nichts vorgefallen. Es gelang ihm nicht besonders gut.
»Eva Lind, nicht wahr?«, fuhr Kalmann fort. »Ein bemerkenswertes Mädchen.«
»Wir haben hier einige Namen, zu denen wir dich befragen müssen«, warf Sigurður Óli ein. »Ich wiederhole noch einmal, dass wir bereit sind zu warten, falls du deinen Rechtsanwalt hinzuziehen willst.«
»Neulich musste ich an Eva Lind denken«, sagte Kalmann, der Sigurður Óli keines Blickes würdigte. »Ich weiß nicht mehr, was der Grund dafür war, aber ich erinnerte mich auf einmal an eine Geschichte über sie, die mir ein Freund erzählt hat. Wie war das noch? Eva Lind hat sich Stoff besorgt, also Drogen, sie ist doch abhängig, nicht wahr? Sie hatte aber kein Geld, und als sie gefragt wurde, wie sie bezahlen wollte …«
»Du bist im Vorstand der Reederei Viðey«, unterbrach Erlendur ihn kurzerhand.
»Moment, lass mich doch die Geschichte zu Ende erzählen. Sie ist gut.«
»Diese Firma ist mehrheitlich in deinem Besitz, obwohl das nicht allgemein bekannt ist«, fuhr Erlendur unbeirrt, aber etwas lauter fort. Er hatte nicht vor, sich durch Kalmann aus der Fassung bringen zu lassen. »Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass deine Firma sehr rührig gewesen ist, Quotenanteile aufzukaufen, vornehmlich in den Westfjorden.«
»Das mit Eva Lind ist wohl ein wunder Punkt bei dir?«, warf Kalmann ein und machte keinen Versuch, das Grinsen zu unterdrücken, das sich auf seinem Gesicht breitgemacht hatte. »Ich habe gehört, was für eine vorbildliche junge Dame sie in allem ist, was sie sich vornimmt. Und es gibt wohl kaum etwas, was sie sich nicht vornehmen würde, wenn man sie hübsch darum bittet.«
Erlendur sah Kalmann so lange in die Augen, bis er die abgrundtiefe Widerwärtigkeit darin erkannte. Er wusste, dass nichts, was er sagen würde, diesem Mann etwas ausmachen würde. Seine Spannung ließ nach, und die Schultern lockerten sich. Kalmann wich seinem Blick aus und sah zu Sigurður Óli hinüber.
»Du besitzt die Mehrheit bei Viðey, nicht wahr?«, hakte Sigurður Óli nach.
»Das wissen nicht sehr viele«, gab Kalmann zu. »Ich habe erst vor etwa zehn Jahren begonnen, mich für Fischfang zu interessieren, vielleicht ist es auch fünfzehn Jahre her. Das Quotensystem hat mich darauf gebracht, unter anderem. Mit dem Fischfang hat man nämlich erst zu Geld kommen können, nachdem die Quotenanteile eingeführt worden waren. Die Schwätzer, die gegen dieses System protestieren, scheinen das nicht kapieren zu wollen.«
»Dir lag außerordentlich viel daran, Quotenanteile in den Westfjorden aufzukaufen«, fuhr Erlendur fort. »Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass dein Unternehmen im Verlauf von einigen wenigen Jahren Quoten im Wert von zweieinhalb Milliarden Kronen gekauft hat.«
»Höchst interessant«, bemerkte Kalman. »Aber weshalb muss ich mir eigentlich diesen Sermon anhören?«
»Wenn du gestattest, fahre ich fort, und du lässt mich einfach gegebenenfalls wissen, wenn dir irgendetwas bekannt vorkommt. Ungefähr um dieselbe Zeit, als der Handel mit Quotenanteilen freigegeben wurde, befand sich die Bauindustrie im Hauptstadtgebiet in einer Krise, und die Bauunternehmen gingen reihenweise pleite. Diese Entwicklung gab es zwar auch auf dem Land, aber Reykjavík war am schlimmsten betroffen. Es wurde kaum noch etwas Neues gebaut, und ebenso gingen die Pläne für den Bau von weiteren Kraftwerken den Bach hinunter, als sich herausstellte, dass im Ausland kein Interesse daran bestand, die Aluminiumhütte in Straumsvík zu vergrößern, und dass in nächster Zeit keine anderen Aluminiumwerke entstehen würden; der Preis für Aluminium war sozusagen im Keller. Große Baumaschinen standen herum, und viele Menschen im Baugewerbe verloren ihre Arbeit. Immobilienhändler gingen bankrott. Die Hoch- und Tiefbauindustrie stand vor dem Ruin.«
Kalmann sah Erlendur an und schwieg.
»Deswegen kam irgendwo die Idee auf,
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