TODESSAAT
sicheren Boden unter den Füßen hatten und sich trockneten, hielt ich nach einem Startplatz Ausschau und entdeckte einen Gletscher, der zum Ozean hin in einer steilen Klippe endete. Dorthin aufs Eis befahl ich den Kriegerkoloss; aye, denn nun war auch meine Kreatur schlimm ermattet. Ihre kühnen Anstrengungen, die Zwillinge vor dem Ertrinken zu retten, hatten ihr die Lebenskraft erheblich gestutzt. Ihr wisst selbst: Eine Kriegerkreatur muss töten und große Mengen roten Fleisches fressen, ansonsten schwindet sie rapide dahin. Deshalb dachte ich mir: Was wird mir in den Eislanden eher von Nutzen sein? Ein mächtiger Krieger oder ein Paar unwichtiger, zänkischer, ewig hungriger Sklaven? Hah! Die Entscheidung fiel nicht schwer.
Ich spielte mit dem Gedanken, einen der Brüder gleich auf der Stelle zu schlachten und ihn an meinen Krieger zu verfüttern. Jedoch ... nun, ich gebe zu: Da hatte ich diese beiden feinen Wamphyri-Anwärter gehörig unterschätzt. Auch sie hatten eifrig die Vor- und Nachteile erwogen und waren ebenfalls zu dem Schluss gelangt, dass ich meiner Kampfbestie den Vorzug geben würde. So legten sie eine sichere Distanz zwischen sich und mich und kletterten hinab in tiefe, enge Gletscherspalten, in denen ich sie weder bedrohen noch dazu bringen konnte, sich mir wieder zu nähern. Diese aufrührerischen Hunde! Also gut: Sollten sie doch erfrieren! Sollten sie verhungern! Sollten sie beide sterben!
Ich stieg in den Sattel und spornte die Kreatur zu einem schlitternden, rutschenden Sturmlauf den Gletscherhang hinab, bis sie sich endlich abstieß und hinausschwebte über die weite See. Und gerade noch beizeiten: Der Start des erschöpften Biestes wäre um Haaresbreite fehlgeschlagen, fast hätte ich die salzige Gischt der Wellen aus nächster Nähe zu schmecken bekommen. Jedoch, nun war ich durch die Lüfte unterwegs.
Ich wandte mich dem Landesinnern zu, schwebte hoch über den treulosen Largazi-Zwillingen, die sich doch noch aus ihrem Eisversteck hervorgewagt hatten und mit erhobenen Gesichtern zu mir heraufgafften; ich winkte ihnen ein verächtliches Lebewohl zu und befahl dem Geflügelten Kurs auf eine ferne Bergkette zu nehmen, deren düstere Silhouette sich vor dem Himmelsgespinst der pulsierenden Aurora abzeichnete. Dieselben Gipfel, die in diesem Moment hinter uns aufragen, mit ihrem Vulkankegel in der Mitte, dessen Lavaadern – zumindest dem Ferenc nach – von Monstren mit stacheligen Knochenrüsseln bewacht werden. Aye, genau dorthin nahm ich Kurs.
Ich will Fess in dieser Angelegenheit keinen Lügner heißen, kann es auch nicht; dass Volse von jenem fremden, grausamen Geschöpf getötet wurde, spricht ja schon für sich – doch hinzu kommt, dass mein Krieger zweifellos ein ähnlich trauriges und Verdacht erregendes Ende fand. Wer weiß, vielleicht fielen Volse und mein armer ermatteter Krieger ja ein und derselben Blutbestie zum Opfer?
Ich sage Euch, wie es geschah: Mein Krieger war zu Tode erschöpft ... nun, vielleicht nicht gar so sehr, denn wie Ihr wohl wisst, sterben sie nicht einfach so dahin, und selten an Erschöpfung! Aber an den Kräften des Wesens war Raubbau betrieben worden, und so keuchte es und klagte seine Pein hinaus. Meine Blicke schweiften über das Land tief drunten, und tatsächlich, auf den höheren Hängen des vulkanischen Kegels vermochte ich Lavaströme zu erkennen: eine schöne, glatte Startrampe, falls der Krieger sich jemals wieder erholen und in die Lüfte erheben sollte.
Doch, ach, leider war die Landung ein einziger Schrecken. Die Bestie warf mich ab, während ihre Rückenpanzerung zerbarst und sie sich noch im Schwung den Flügel verrenkte und eine für jedwedes luftige Fortbewegen wichtige Körperdrüse an einer scharfkantigen Lavawucherung zerfetzte. Ganze Gallonen wertvoller Körpersäfte gingen verloren, bevor das metamorphe Fleisch eine feine Membran über die klaffende Wunde legte und sie so versiegelte. Meine Verletzungen waren nur gering, ich ignorierte sie; doch mein Ärger war so groß, dass ich außer mir war und fluchte und dem Krieger ein paar Tritte verpasste, was ihn vollends zur knurrenden, speienden Furie machte. Also zwang ich ihn derb unter meine geistige Kontrolle und trieb ihn an, sich im Schlund eines Höhlentunnels zu verbergen, der mir sehr ähnlich – vielleicht gar identisch? – erscheinen will mit dem der kränklich weißen Blutbestie, die der Ferenc uns beschrieben hat. Denn auch dieser Tunnel war ein uralter Lavaausfluss des
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