TODESSAAT
Ferenc zufrieden. »Ich will Euch sagen, was ich gesehen habe und was für Schlüsse ich daraus ziehe. Ich und dieser stinkende Eiterherd Volse Pinescu, wir erforschten die Eissäulen des innersten Rings und machten dabei die Entdeckung, dass eine wie die andere ausgeplündert war! Woraus folgt – insbesondere jetzt, da Volse tot ist, ausgesaugt bis auf die Knochen von diesem Ding im Lavatunnel: Es müsste ein Leichtes sein, Stück für Stück dessen zusammenzufügen, was genau dort vorgegangen ist.
Wie ich das Ganze sehe, residiert ein uraltes Wamphyri-Wesen, gleich ob Lord oder Lady, als Meister in jenem schlummernden Vulkan. In vergangenen Zeitaltern und wann immer verstoßene Vampire des Wegs gekommen sind, sah er oder sie sich veranlasst, den Besitz zu verteidigen und die Eindringlinge abzuwehren. In den Tiefen des Berges muss nämlich genügend Glut am Leben sein, um für behagliche Wärme zu sorgen. Irgendwann mögen die Vampire damit begonnen haben, einen Belagerungsring nach dem anderen zu errichten. Doch letzten Endes mussten sie der Kälte erliegen, und so haben sie sich mit letzter Kraft in eine Art Winterschlaf gerettet ... und der listige Herr des Vulkans konnte sich von Zeit zu Zeit hervorwagen, die Eiskammern plündern und sich an ihrem tiefgefrorenen Fleisch gütlich tun. Genau genommen sind die Eisburgen nichts anderes als seine Speisekammern!«
»Hah!« Arkis schlug sich auf den massigen Oberschenkel. »Jetzt wird mir alles klar!«
Der Ferenc nickte mit seinem verquollenen, grotesk proportionierten Schädel. »Dann stimmt Ihr also mit meinen Folgerungen überein?«
»Ich wüsste keine bessere Erklärung!«, bestätigte Arkis. »Was sagt Ihr, Shaithis?«
Shaithis sah ihn ganz sonderbar an. »Ich sage, Ihr blast wie der Wind in jedes Horn, mal hierhin, mal dorthin. Erst wollt Ihr den Ferenc töten, jetzt stimmt Ihr Wort für Wort mit ihm überein. Ist Eure Meinung wahrhaft so leicht zu beinflussen?«
Der Sohn des Aussätzigen fletschte die Zähne. »Ich erkenne die Wahrheit, wenn ich sie zu hören kriege«, murrte er. »Außerdem sehe ich, wenn etwas vernünftig ist. Was der Ferenc sich über die Angelegenheit zusammenreimt, klingt in meinen Ohren richtig. Hinzu kommt Eure Bitte, wir sollen um unserer wechselseitigen Sicherheit willen zusammenstehen – auch das scheint mir weise zu sein. Warum also seid Ihr so aufgebracht, Shaithis? Ich dachte, Ihr wolltet uns zu Freunden zusammenschmieden?«
»Das will ich immer noch«, erwiderte Shaithis. »Gerade deshalb bereitet mir der allzu rasche Wechsel in der Aussaat Eurer Loyalitäten gewisse Sorgen. Aber gut. Würdet nun Ihr Eure Geschichte zu einem Ende bringen? Zuletzt haben wir gehört, wie der verletzte Krieger im Schlund des Lavakanals zurückgelassen wurde und Ihr Euch zur Ebene hinabbegeben habt, um Euch die Eisburgen anzusehen.«
»Ja, und dort habe ich alles genauso vorgefunden, wie der Ferenc es beschrieben hat: die eisumschlossenen Throne all dieser unbekannten, der Zeit entrückten Wamphyri-Lords ... aufgebrochen und leer wie ihres Honigs beraubte Bienenstöcke auf Sunside. Aye, und in jenen Burgen, die in größerer Entfernung vom zentralen Kegelberg emporragten, fanden sich weitere Beweise versuchten Raubes, nur, dass hier in vielen Fällen das Eis zu dick gewesen war und die im Lauf der Äonen in sich zusammengeschrumpften Lords in Sicherheit und körperlich unversehrt darin ruhten.
Schließlich wurde ich müde von meinem schaurigen Erkundungsgang. Ich war hungrig und außerstande, in diese alten, ewig frostigen Vorratskammern einzubrechen. Die kleinen Albino-Fledermäuse trauten mir schon lange nicht mehr und mieden meine malmenden Hände. Sollten allerdings meine einstigen Sklaven, die Largazis, noch leben, so mussten sie es inzwischen zur Hälfte hierher geschafft haben. Gewiss hatten sie sich gleichermaßen erschöpft und waren somit nicht in der Lage, mir noch einmal zu entkommen. Ah, war das ein Gedanke! Es war Zeit, zu meiner Kriegerkreatur zurückzukehren und nachzusehen, wie sie sich hielt. Also stieg ich zu jener Kaverne hoch, wo ich das Biest verborgen hatte.
Nur – dass es nicht mehr da war! Das heißt, einige kleine, blutige Stücke fanden sich noch – das war alles.«
»Das Sauger-Ding ... Die Blutbestie mit diesem furchtbaren Stachelrüssel.«
Shaithis war sich da nicht so sicher. »Dass eine Bestie ohne Verstand einen Mann oder, falls ihr genügend Zeit bleibt, selbst einen Krieger leer saugt, kann ich
Weitere Kostenlose Bücher