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Todesschach

Todesschach

Titel: Todesschach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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darüber nachdachte, desto unzuverlässiger erschien ihr diese Methode. Wenn sie das Spiel genau verfolgen und die Züge vorausberechnen wollte, mußte sie ein größeres Risiko eingehen. Nach einigem Zögern kroch sie aus ihrem Versteck, erhob sich und lief geduckt auf den Fuß des Hügels zu. Hier gab es nur wenig Büsche und kaum Deckung. Aber das war ihr egal. Sie kroch weiter, bis sie den flachen Gipfel unter dem Banner erreichte. Erleichtert stellte sie fest, daß sie nun alle zweiunddreißig Banner sehen konnte. Mit Hilfe des Zielfernrohrs war es sogar möglich, sie einzeln zu identifizieren.
    Ganz ruhig blieb sie liegen und registrierte, wie ein weißer Bauer sein Banner einholte und zehn Minuten später auf dem Nachbarfeld wieder aufzog. Der erste Zug war beendet.
    Schwarz war am Zug.
    Grams schickte den Bauern D7 auf D6. Er tat es schnell entschlossen und zielbewußt. Er wollte Thorn so schnell wie möglich den Weg frei machen, um Mira keinem unnötigen Risiko auszusetzen.
    Larko durchschaute die Taktik nicht so schnell, sonst hätte er den bereits freigewordenen Weg versperrt, aber ihm ging es um das Spiel selbst. Er fand keine Antwort auf die Frage, warum Grams einen nutzlosen Zug vergeudete.
    Er setzte seinen Bauern von E2 auf E3.
    Grams befahl Thorn, sich auf das Feld F5 zu begeben.
    Das nahm einige Zeit in Anspruch, denn Thorn mußte zwei freie Felder diagonal durchqueren, ehe er sein Ziel erreichte. Noch hatte er keine Ahnung, wann er auf Mira treffen würde, aber er konnte auf dem Hügel von F5 kein Banner entdecken. Er zog das seine auf und sah sich um. Grams hatte ihn nicht grundlos hierher geschickt.
    Nur in einer einzigen Richtung gab es ein besetztes Feld, das für ihn in Frage kam.
    Bi, der weiße Springer. Seins mitgerechnet, war es das fünfte Feld. Wenn Grams so spielte, wie er es versprochen hatte, mußte also Mira der weiße Springer Bi sein.
    Doch vorerst war Larko am Zug.
    Und Larko überlegte. Er sah, daß sein Springer bedroht wurde, aber auf der anderen Seite müßte Grams dann seinen Läufer an den weißen Turm verlieren. Trotzdem konnte er sich nicht entschließen, den Weg durch seinen Bauern E3 zu versperren, indem er ihn ein Feld vorrücken ließ. Der scheinbar sinnlose Zug von Grams begann ihn zu interessieren. Er wollte wissen, was der erfahrene Spieler damit bezweckte.
    Immerhin: Ein Turm war wertvoller als ein Läufer.
    Larko setzte seinen zweiten Springer auf das Feld H3 und bot so Grams’ Läufer auf Feld F5 eine zweite Chance.
    Damit war die Entscheidung gefallen.
    Diesmal saß Bender allein vor seiner Bildwand.
    Er hatte nie begreifen können, wie sein Freund Larko zum Spieler geworden war. Seit Jahren schon wußte er von Larkos Leidenschaft für das Todesschach, aber er hätte sich niemals träumen lassen, daß der alte und angesehene Politiker seine ganze Laufbahn aufs Spiel setzen würde, um einer Leidenschaft zu frönen. Und dann spielte er ausgerechnet noch gegen Grams.
    »Total übergeschnappt!« brummte Bender und studierte das Schachbrettmuster auf dem Monitor. »Warum sieht er denn nicht, was Grams vorhat? Warum versperrt er ihm nicht den Weg?« Er lehnte sich in den Sessel zurück. »Larko sollte sich meinetwegen um Politik kümmern, das ist sein Beruf, nicht aber um diese Volksverdummung! Er ist ein Mörder geworden – ach was, was rede ich …? Ich bin stockkonservativ, wie Larko immer sagte. Altmodisch, nicht wahr?« Er sah wieder auf den Hauptschirm. »Aha, der nächste Zug … jetzt bin ich gespannt.«
    Grams gab seine Anweisung, und auch diesmal konnte ihn außer den Fernsehzuschauern und Larko nur noch Thorn hören.
    »Läufer F5 nach Bi.«
    Das war alles.
    Es war genug.
     
    *
     
    Mira hatte den vierten und fünften Zug gut verfolgen können. Als der schwarze Läufer sein Feld bezog und das Banner aufpflanzte, hoffte sie, daß Larko den freien Weg durch seinen Bauern versperren würde. Aber Larko tat etwas anderes, er schickte seinen rechten Springer in den Kampf und zwang Grams so, den Läufer erneut auf die Reise zu schicken.
    Der sechste Zug also …
    Sie bemerkte, daß auf F5 das Banner eingezogen wurde. Der Läufer war am Zug, und er hatte nur drei Möglichkeiten:
    Er konnte sich auf seine ursprüngliche Stellung C8 zurückziehen.
    Er konnte Larkos freistehenden Springer schlagen.
    Und er konnte den zweiten Springer, Mira, schlagen.
    In den beiden letzteren Fällen mußte Grams ihn jedoch danach an Larko opfern.
    Mira glitt vom Hügel und schlich

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