Todesschach
Wissen Sie, was ich mir besonders aufregend vorstellen werde?«
»Keine Ahnung?«
Breda holte tief Luft, dann sagte er:
»Wenn Grödig auf dem Feld eines Todesschachspiels steht.«
Grams nickte.
»Eine großartige Idee, Breda, wirklich. Dann kann er endlich beweisen, was hinter seinen Worten steckt. Übrigens Spiele: Sind schon Anforderungen eingetroffen?«
»Vier bisher. Haben Sie Ihre Mannschaft schon zusammen?«
»Nicht vollständig. Wer ist denn noch frei von den Gefangenen?«
Breda nahm ein Blatt Papier.
»Da wären Geldern – das ist der Berufsverbrecher – und Bakeldop. Dann …«
»Es ist einfacher, Breda, wenn Sie mir die vier Namen der Angeforderten gäben. Ich habe ja die vollständige Namensliste hier.«
»Auch gut. Myers, Kolb, Jechte … ja, und dann diese Mira. Genügt Ihnen das.«
»Mira auch? Schade. Die hätte ich gern gehabt. Wer hat sie angefordert?«
»Larko.«
»Wer, bitte?«
»Larko. Den kennen Sie doch. Ein Politiker. Er meint, er müsse es auch einmal versuchen. Übrigens ein großer Verehrer von Ihnen, wie er mir versicherte.«
»Liegt die Spielmeldung schon vor?«
»Er sucht noch einen Gegner.«
Grams beugte sich vor.
»Schlagen Sie ihm mich vor, Breda. Und dann geben Sie mir die vollständige Liste der noch zur Verfügung stehenden Figuren. Sind keine neuen Freiwilligen da?«
»Noch heute, Grams, gebe ich Ihnen die Namen. Ich denke, einige der Untergrundler werden sich melden. Habe da einen besonders interessanten Fall. Wollte mich umbringen, aber wenn er sich auf dem Spielfeld auch so dumm anstellt, lebt er nicht lange. Thorn heißt er, ein Freund dieser Mira, die für Larko ins Gefecht zieht.«
Grams machte ein unbeteiligtes Gesicht.
»Geben Sie diesen Thorn für mich frei«, sagte er ruhig.
Breda nickte, aber in seinen Augen glomm ein kaum merklicher Funke von Interesse auf.
»Sie können ihn haben, wenn er sich freiwillig meldet. Heute nachmittag wissen wir es …«
*
Die Nadel war nur zwei Zentimeter lang, ungewöhnlich dünn und schimmerte wie Silber. Sie ruhte auf einem Samtüberzug, der den winzigen Behälter fast völlig ausfüllte.
»Sie ist hohl«, sagte der Mann im weißen Mantel zu Grams, als er ihm das flache Etui überreichte. »Bei einem Stich öffnet die Körperwärme den Verschluß, und die Substanz fließt aus. Die gewünschte Wirkung tritt nach drei Sekunden ein.«
Grams schob den Behälter in die Tasche.
»Wie lange hält sie an?«
»Bis der Betroffene stirbt, es sei denn, man holt ihn ins Bewußtsein zurück. Sie haben das Gegenmittel.«
Grams zog ein Bündel Banknoten aus dem Rock.
»Ich danke Ihnen, Doktor. Sie garantieren, daß selbst eine medizinische Untersuchung keine Gefahr darstellt?«
»Das Mittel wurde von mir entwickelt und ist noch unbekannt. Jeder Arzt wird Ihnen den Tod des Betroffenen bestätigen. Alle Lebensfunktionen hören scheinbar auf. Praktisch eine Art Hibernation, nur mit anderen Vorzeichen. Ich lasse einfach die Zeit stillstehen, das ist alles.«
Grams bedankte sich nochmals und ging.
Der Termin stand fest. Das Spiel fand in drei Tagen statt. Mira stand für Larko, Thorn für Grams.
Und Grödig war noch immer nicht gefaßt worden.
*
Mira wurde aus dem Gefängnis in das Spielerlager Larkos gebracht, wo sie ihre Mitfiguren kennenlernte. Jede von ihnen konnte im Verlauf des bevorstehenden Spiels zu ihrem Gegner werden, darum war es gut, sie zu studieren. Die Spielfiguren der Gegenseite blieben unbekannt.
Larko hatte Wachtposten gemietet, um jeden Fluchtversuch der ehemaligen Strafgefangenen unmöglich zu machen. Wenn es sich auch um Freiwillige handelte, so bestand doch die Möglichkeit, daß der eine oder andere es vorzog, die Freiheit auf ungefährlichere Art zurückzuerlangen. Noch galt das Urteil, und drei Spiele lagen zwischen Tod und Leben.
In dieser Nacht konnte Mira kaum schlafen. Unruhig wälzte sie sich auf ihrem Lager hin und her, von quälenden Träumen immer wieder aufgeschreckt. Vor dem eigentlichen Spiel hatte sie keine Angst, aber sie fragte sich immer wieder, was Thorn inzwischen wohl unternommen hatte. Wußte er, welchen Weg sie gegangen war, um die Freiheit zu erringen? War es ihm gelungen, der Verhaftungswelle zu entgehen, die dem Ausbruch Grödigs folgte?
Viel wußte Mira nicht über die Ereignisse, die sich in den letzten Tagen abgespielt hatten. Die Informationen waren spärlich gewesen, aber sie genügten, Mira und die anderen Freiwilligen unruhig werden zu lassen.
Weitere Kostenlose Bücher