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Todesschach

Todesschach

Titel: Todesschach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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sich geduckt in die rechte und Schwarz zugewandte Ecke ihres Feldes. Von dort nur konnte ihr Gegner kommen – wenn er kam.
    Die Gefahr war erst vorüber, wenn auf H3 das Banner wechselte.
    Nur die Zuschauer in aller Welt sahen, wie der schwarze Läufer Feld E4 betrat und überquerte. Sie alle wußten, daß es nun den ersten Kampf auf Leben und Tod geben würde.
    Nur einer konnte überleben.
    Der schwarze Läufer oder der weiße Springer.
     
    *
     
    Noch hatte Thorn sein Gewehr nicht entsichert. Vor ihm lagen noch zwei freie Felder, auf denen kein Gegner wartete. Erst auf B1 wartete der Feind, der weiße Springer. Er wußte nicht, ob es Mira war, aber wenn Grams wider alle Schachvernunft spielte und nur das eine Ziel im Auge hatte, Mira zu retten, dann war sie der weiße Springer.
    Es sei denn, das Feld war leer. Aber das war unwahrscheinlich, denn Grams würde seinen Läufer nicht umsonst opfern.
    Also B1 …!
    Das letzte Feld kam in Sicht. Er sprang durch den Graben und ging langsamer. Vor ihm lag noch der Hügel, auf dem kein Banner stand. Und hinter dem Hügel lauerte jemand auf ihn, Mira vielleicht. Sie würde ihn nicht erkennen, und wenn, dann konnte sie nicht ahnen, was er vorhatte.
    Thorn warf einen kurzen Blick auf den seltsamen Siegelring, den er am rechten Zeigefinger trug. Es hatte Grams einige Mühe gekostet, und auch Geld, ihn schnell anfertigen zu lassen. In dem unförmigen Siegel war die hohle Nadel verborgen. Beim geringsten Druck würde sie vorschnellen und ein Hindernis bis zu einem Zentimeter durchdringen.
    Aber schon ein Millimeter genügte.
    Er bückte sich, als er den Hügel passierte. Wenn sein Gegner ein erfahrener Schachspieler war, mußte er wissen, von wo ihm Gefahr drohte. Grams’ Zug war zu durchsichtig gewesen, auf der anderen Seite hatte Larko unlogisch gekontert. Vielleicht eben deshalb, weil er in Grams den überlegenen Gegner sah und nicht begriff, was dieser plante.
    Thorn legte sich hin und kroch auf dem Bauch weiter. Wie eine Schlange glitt er durch den Graben auf das Feld des Bauern, weil er dort Deckung fand und sich dem Graben von B1 unbemerkt nähern und ihn dann durchqueren konnte. Das war gegen die Regel, aber nicht ausdrücklich verboten. Wenn der Bauer ihn angriff …
    Er hatte Glück.
    Wieselflink durchquerte er den zweiten Graben und befand sich damit auf dem Feld des weißen Springers. Aufatmend warf er sich in ein Gebüsch und überlegte, ob er sich getäuscht haben konnte, als er aus den Augenwinkeln heraus etwas Weißes links in der Grabenkreuzung gesehen hatte. Mira – wenn es Mira war! – hatte das Spiel gut verfolgt und wußte, von wo der Gegner kommen mußte. Nur hatte sie nicht mit dem kleinen Trick gerechnet, der von Grams stammte.
    Das war die Gelegenheit!
    Thorn schlich weiter. Eigentlich mußte der Springer ihn gesehen haben, wenn er den Graben in Richtung Schwarz genau überwacht hatte. Das war das Risiko, auf das sich Thorn nun einlassen mußte.
    Er entdeckte den weißen Umhang, als er noch zwanzig Meter von der Grabenkreuzung entfernt war. Der Springer hatte sich geschickt in Frontrichtung getarnt, dabei aber kaum auf Rückendeckung geachtet. Er konnte nicht ahnen, daß sein Gegner aus dem eigenen Gelände kam.
    Thorn blieb ganz ruhig liegen und hob das Gewehr. Der Rücken seines Gegners war genau im Visier. Er brauchte jetzt nur abzudrücken, und der Zug war beendet.
    Er ließ den Lauf wieder sinken.
    Vielleicht würde er Mira töten. Nein, ganz bestimmt würde er das. Er war nun fest davon überzeugt, daß der weiße Springer Mira war. Sie mußte es sein!
    Der nächste Busch war zehn Meter vor ihm, davor eine kleine Senke, die Schutz gegen Kugeln bot. Geräuschlos und immer auf Deckung bedacht, kroch er weiter, genau auf den Springer zu, der noch immer das Vorfeld beobachtete und auf den Feind wartete, der nicht kam.
    Thorn blieb atemlos und gespannt liegen. Er hätte rufen und sich zu erkennen geben können, aber die überall verborgenen Mikrophone hätten seine Worte an die neutrale Kontrollstelle weitergeleitet – und dann wäre alles umsonst gewesen. Flüstern konnte er, das würden sie nicht hören. Aber Mira würde ihn dann auch nicht hören können.
    Er mußte etwas tun, damit der Springer zu ihm kam, ohne eine Gefahr zu ahnen. Aber was?
    Er wartete.
    Im Augenblick fiel ihm keine bessere Lösung ein.
     
    *
     
    Larko starrte verständnislos auf seine Bildschirme. Er begriff nicht, warum der schwarze Läufer seinen Springer nicht tötete.

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