Todesschlaeger - Ein Golferkrimi
erläutern. Als vor etwa drei Jahren ihr Mann, der hier in unserer Gegend einer der Förster war, überraschend durch einen Betriebsunfall verstarb, war das für die arme Frau ein derartiger Schock, dass sie den Tod ihres Mannes geistig nicht verarbeitete. Sie begann allmählich, die Wirklichkeit zu verdrängen. Es wurde immer schlimmer, trotzdem lebte sie weiter in ihrem Haus, gemeinsam mit ihrem Sohn, der in Freiburg studierte. Sie war bei einem Kollegen von mir in Behandlung. Eine stationäre Behandlung war nicht erforderlich, da von ihr keine Gefahr für andere oder sich selbst ausging. Ihr Sohn überredete sie im Winter vor mehr als zwei Jahren, zwei Wochen Urlaub in den Alpen mit ihm zu machen und mein Kollege hielt das damals für eine ausgezeichnete Idee. Als sie nach diesen zwei Wochen wieder zurückkam, zündete sie gleich in der ersten Nacht ihr Haus an. Es brannte bis auf die Grundmauern ab und sie selbst konnte nur mit Mühe und Not gerettet werden. Mein Kollege, der in dieser Nacht sofort gerufen worden war, erfuhr durch ein Schriftstück, welches in ihrer Tasche gefunden wurde, dass ihr Sohn in diesem Urlaub ums Leben gekommen war. Das scheint ihr den Rest gegeben zu haben. Sie wurde umgehend entmündigt und einem gesetzlichen Vormund unterstellt. Verwandte konnten nicht aufgetrieben werden. Gleichzeitig wurde sie hier eingewiesen. Bezahlt wird die Behandlung durch ihr noch vorhandenes Vermögen, wenn das mal zu Ende ist, vom Staat. Sie ist immer noch der Meinung, dass ihr Mann und ihr Sohn noch leben und wir haben auch die Befürchtung, dass sie mit dieser Einbildung sterben wird. Sie hat bei uns übrigens bereits drei Suizidversuche hinter sich und wir können nicht garantieren, dass wir immer das Schlimmste werden verhindern können.«
Betroffen schaute er den Arzt an. Das war ein extrem hartes Schicksal.
»Könnte der Mann oder der Sohn vielleicht nicht doch noch am Leben sein?« fragte der Hagere aus dem Hintergrund, die Stirne krausziehend nach.
»Bei dem Sohn kann ich das nicht beurteilen, der Ehemann jedoch ist hier in der Gemeinde gestorben und sein Tod deshalb hundertprozentig sicher.«
»Gibt es Bilder von den beiden Männern?«, wollte nun Michael Schlosser wissen.
»Ach, ist Ihnen das auch aufgefallen. Nicht ein Bild ihrer Liebsten im Umfeld von Frau Meinert. Es sind höchstwahrscheinlich sämtliche Bilder bei dem Brand vernichtet worden und den verbleibenden Rest hat sie selbst vermutlich beseitigt. Es passt genau zu ihrem Krankheitsbild.«
»Verdammt«, entfuhr es Michael Schlosser, und er schaute sogleich entschuldigend den Arzt an. »Dann bleiben uns wohl nur noch die amtlichen Stellen.«
»Nicht ganz«, beruhigte ihn der Arzt leise lächelnd, öffnete eine vor ihm liegende, dicke Akte, entnahm mehrere Bilder und einige Zeitungsausschnitte und reichte sie ihm über den Tisch.
Mit den Worten: »Sie haben uns wohl erwartet«, nahm er dem Arzt die Bilder ab und begann sie gemeinsam mit seinem Mitarbeiter, der dicht an ihn herangetreten war, durchzusehen. Die Bilder zeigten stets einen älteren Herrn. Ab und zu waren eine Frau oder ein sehr junger Mann an dessen Seite abgebildet, im Hintergrund war immer Wald zu sehen. Auf den Zeitungsabschnitten jedoch war nur ein junger Mann, so zwischen vierzehn und achtzehn Jahre alt zu sehen. Das Wort hoffnungsvolles Talent war allenthalben zu lesen.
»Ja, Herr Kommissar, Sie sehen richtig«, erläuterte der Arzt unaufgefordert. »Der ältere Herr war unser Förster Meinert, die Frau ist, gut zu erkennen, seine Ehefrau Sybille Meinert, damals noch jung, fröhlich, frisch und der Knabe stellt Frederik dar. Er war die Hoffnung der Biathleten dieser Region. Er konnte Skifahren wie ein Großer und schießen wie der Teufel. Leider hat er kurz vor seinem Abitur die Lust an seinem Sport verloren und sich nur noch um Mädchen und Partys gekümmert. Später studierte er an der Universität Freiburg Politologie, allerdings ohne sichtbaren Erfolg bis zu seinem Tod.«
»Oh! Wieso haben Sie derartige Bilder?«, wollte Genko wissen.
»Wir benötigen sie für unsere Therapien. Bisher allerdings ohne nennenswerte Resultate.«
»Kann ich dieses Bild hier mitnehmen?«, fragte Schlosser und hielt ein Foto, welches Frederik im Alter von ungefähr achtzehn Jahren zeigte, hoch.
»Sie können es gerne mitnehmen, auch wenn ich nicht weiß, wozu Sie es brauchen. Ich würde Sie allerdings bitten, es mir wieder zurückzusenden, wenn Sie es nicht mehr
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