Todesschlaeger - Ein Golferkrimi
Spalt, in den, mit lautem Tosen, mehrere schmale Gebirgsbäche ihr Wasser aus großer Höhe ergossen. Pulsierende Stiche durchzuckten permanent sein linkes Bein und ließen ihn die Umgebung kaum noch genießen. Er hasste in diesem Augenblick den unbekannten Täter, den er für seine Schmerzen unbewusst verantwortlich machte.
»Des is die Eisbachklamm«, erklärte ihm der Österreicher so laut brüllend, dass die Stimme das Tosen übertönen konnte und zeigte dabei in die Schlucht. »Der Tote hot do ganz weit unt’n am Schwall gleg’n. Die Skia lag’n verteilt auf hoiba Höh. Wir hab’n fast fünf Stund’n gbraucht, bis ma ihn ob’n hatt’n.«
»Geht denn hier in der Nähe eine Skipiste vorüber?«, schrie er seine Frage zurück.
»Na, gar net. Des is hier sehr gfährliches Gebiet. Aber imma wieda fahr’n die depperten Touristen außerhalb der abgesperrt’n Pist’n herum und lös’n Lawinen aus und bring’n sich selba um.«
»Ist das hier hinter und über uns auch so ein Gebiet, wo verbotenerweise abgefahren wird?«
»Ja, leida. In der Hauptsaison fahr’n jede Woche a ganza Haufa Leit hier obi.«
»Können Sie uns sagen, an welcher Stelle der Absturz vermutlich begonnen hat?«
»Freilich! So wie er do gleg’n hat und die Skia rumgleg’n hab’n, muas des von unsera Position aus gwehn sei.«
Interessiert schaute er sich die Stelle an. Gute zehn Meter hinter ihm lief ein, wenn auch ziemlich steiler, von oben kommender Weg vorbei, der in den schmalen Pfad, den er selbst heraufgekommen war, mündete. Letzterer war bei weitem nicht so steil gewesen.
»Wie war denn damals das Wetter. Wissen Sie das noch?«
»Freilich. Guat war’s, aber saukoit und a bisserl geschneit hots.«
»Lag viel Schnee?«
»Jo, des war a Jahr, wos gschneit hot wia varuckt. Sauguada Puivaschnee.«
»Ist es denn normal, dass man von dem Weg, der hinter uns entlang führt, ausgerechnet hierher abbiegt, um dann in den Abgrund zu schauen und gar zu stürzen?«
»Na, absolut net. Aba es is a net normal, wie a Pistnsau den Weg hier runter z’fahrn. Es san grod imma die Leit zwischen zwanzge und dreißge, die meist’ns ganz guat fahr’n kena und die glaub’n, des dua zdürf’n – und dann ist’s a scho passiert.«
»Haben Sie damals auch einen eventuellen Mord bei Ihren Ermittlungen in Erwägung gezogen?«
Er sah, dass sich Verlegenheit bei dem Befragten breit machte. Er benötigte keine Antwort mehr und fragte deshalb schnell weiter:
»Könnte der Mann hier an dieser Stelle gestanden haben und von jemand hinunter gestoßen worden sein? Rein theoretisch nur?«
Der Österreicher überlegte eine geraume Weile und antwortete dann leicht nickend:
»I glaab scho, Kollege, rein theoretisch freili nur.«
»Danke, Kollege. Können wir wieder zurückgehen?«
Diesmal benötigten sie noch eine halbe Stunde länger. Der Abstieg war für Michael Schlosser erheblich anstrengender und schmerzhafter als der Aufstieg. Er hätte darauf geschworen, dass es eigentlich umgekehrt hätte sein müssen. Jetzt wusste er es besser. Die stetig steigende Laune seines Mitarbeiters nervte ihn immer mehr.
Da es schon spät am Abend war, blieben sie die Nacht in Ehrwald. Schlosser zog sich ins Hotelzimmer zurück und legte sich kühlende Kompressen auf sein Knie, während Genko mit den österreichischen Kollegen noch in irgendwelchen Lokalen unterwegs war, bestimmt um seinen Wortschatz kräftig zu erweitern.
32
Hauptkommissar Schlosser hielt Genko lächelnd die Tür auf, als sie die Pathologie des Innsbrucker Krankenhauses betraten. Er wusste, dass diesem bald wieder sehr flau im Magen werden würde.
»Diese Abteilungen sind doch wirklich überall gleich«, raunte ihm sein Mitarbeiter zu, als sie die Kellerräume betraten und in einem Wartezimmer Platz nahmen. Es roch unangenehm scharf nach Desinfektionsmitteln.
»Guten Morgen, meine Herren«, sprach sie ein erstaunlich junger Mann in reinstem Hochdeutsch an. »Sie wurden mir schon von den Ehrwaldern avisiert. Ich weiß worum es geht und habe mir schon mal die medizinischen Akten von damals aus dem Archiv besorgt.«
»Ach, gibt es hier noch eine Akte im Archiv«, rutschte es Genko anstatt eines Grußes heraus.
»Wie bitte? Wie meinen Sie das?«
»Ich möchte mich für meinen Kollegen entschuldigen. Inzwischen haben wir in diesem Fall bereits erleben müssen, dass eine komplette Ermittlungsakte verschwunden ist. Mein Name ist Michael Schlosser und dies ist mein
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