Todesschlaeger - Ein Golferkrimi
rechtes Ohr und schüttelte sich. Mit einem Ruck erhob er sich und beugte sich nach vorne, als wollte er den Sprecher, der mit geöffneten Händen und wiederholt mit der Schulter zuckend vor ihm stand, besser sehen können.
»Was heißt hier, die Akte ist unauffindbar?«, brüllte er. »Wir sind hier mitten in Europa! Wir sind doch nicht in Sudanesien!«
»Doch, es ist wie ich es Ihnen gesagt habe, Herr Schlosser«, verteidigte sich der Mann und zuckte hilflos mit der Schulter. »Ich kann doch nichts dafür.«
»Das weiß ich doch, Kollege Lehmeyer, das weiß ich doch«, beruhigte er sich wieder und forderte den verlegenen Mann danach auf: »Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen, dann werden wir weitersehen.«
»Also! Also, ich habe dort unten in Österreich angerufen und mich mit der zuständigen Dienststelle, der Gendarmerie Ehrbach in Tirol, verbinden lassen. Nach geraumer Zeit hatte ich dann endlich den zuständigen Mann am Rohr. Er konnte sich noch ganz vage an die Geschichte Frederik Meinert erinnern und sie war ihm schon damals merkwürdig vorgekommen. Der junge Bursche soll von einem anderen Touristen, vermutlich einem Mann, zu einer Skitour abseits der offiziellen Pisten auf der österreichischen Seite des Zugspitzmassivs überredet worden sein. Als er am Tag dieser Skitour nicht mehr zurückkam, verständigte die Mutter des jungen Burschen, die beiden hatten gemeinsam Winterurlaub gemacht, die Polizei. Diese und die Bergwacht suchten noch in der Nacht und den gesamten nächsten Tag. Ohne Erfolg. Erst einen Tag später entdeckte ein anderer Suchtrupp die Leiche in einer Klamm. Es soll damals mehrere Stunden gedauert haben, bis sie den Toten geborgen hatten.«
Als der Beamte nicht mehr weiter sprach, sondern verunsichert, bedeutungsschwer schwieg, fragte Schlosser verdutzt:
»Und was ist daran merkwürdig?«
»Es handelte sich nur um ein Opfer. Die fremde, unbekannte Person, die Frederik zu der Todestour überredet haben soll, war und blieb unauffindbar. Es wurde in den Medien laut schreiend nach ihr gesucht, aber wie gesagt, ohne Erfolg. Wenn das nicht merkwürdig ist«, schloss der Beamte seine Erzählung.
»Hat denn niemand die große, unbekannte Person gesehen?«, hakte Schlosser weiter nach.
»Die Mutter hatte sie vor Beginn der Tour kurz von weitem gesehen. Aber sie konnte sie natürlich nicht beschreiben, da die Person dick in Skiklamotten eingehüllt war und eine Schneebrille getragen haben soll. Sie gab damals zu Protokoll, dass es sich um einen Mann gehandelt haben könnte.«
»Wer hat den Toten identifiziert?«
»Natürlich auch die Mutter, wer denn sonst«, antwortete der Beamte, sichtlich erstaunt über diese Frage seines Vorgesetzten.
»Und was hat es nun mit der verlorenen Akte auf sich, Kollege Lehmeyer?«, fragte Michael Schlosser trotzdem weiter.
»Ich wollte eine vollständige Kopie der Akte haben, weil Sie diese doch unbedingt haben wollten, Herr Schlosser. Sie wurde mir im Rahmen der Amtshilfe auch kurzfristig zugesagt. Vor zehn Minuten erhielt ich aber einen Anruf von dem Tiroler Kollegen. Er sagte mir, dass er die Welt nicht mehr verstehe. Er könne beim besten Willen die Akte nicht finden, obwohl sie sich, wie alle anderen Akten auch, im Archiv befinden müsste.«
Grübelnd setzte sich der Hauptkommissar wieder auf seinen Stuhl. Mehr als ungewöhnlich, dachte er. Sollte hier jemand an einem verborgenen Rad gedreht haben?
»Finden Sie den derzeitigen Aufenthaltsort der Mutter heraus und teilen Sie ihn mir umgehend mit«, bat er den Kollegen und entließ ihn mit einer kurzen Handbewegung.
Kaum war der Mann durch die Tür verschwunden, konnte Genko nicht mehr an sich halten:
»Kruzitürken! Hast du etwa einen ganz bestimmten Verdacht, von dem ich noch nichts weiß, Chef?«, wollte er, ihn mit aufgerissenen Augen fast verschlingend, wissen.
»Allerdings. Es handelt sich eigentlich mehr um eine Möglichkeit. Wir suchen immerzu hier in Berlin nach dem Mörder. Wer sagt uns, dass es nicht jemand ist, der sich um seinen Status und sein Vermögen betrogen fühlt? Wissen wir, wie Mütter denken, wenn es um ihre Brut geht?«
»Aber dieser Frederik ist doch nachweislich tot?«, hauchte der Hagere. Unverständnis schwang deutlich in der Stimme mit.
»Ist er das? Wer sagt das? Warum ist die Akte plötzlich spurlos verschwunden?«, hielt Schlosser bitter lächelnd dagegen.
»Himmel! Dann wären die Sullers doch unschuldig«, kombinierte der Hagere laut vor sich hin. »Nein, das
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