Todesschlaf - Thriller
Puls absuchten, und ihr Blick auf das zerfetzte kleine Loch mitten in dem weißen T-Shirt gerichtet war. »Ist bereits freigegeben. Keine weiteren Fragen, auch wenn der Leichenbeschauer meines Erachtens ein bisschen mehr Interesse hätte zeigen können.«
»Danke!« rief er ihr zu und machte sich davon. Er wusste genau, dass es nichts brachte, sich als Laie irgendwo einzumischen, wo Profis am Werk waren.
»Tut … mir leid«, stieß der Patient mit rundem, zitternden Mund hervor, wie ein Fisch auf dem Trockenen, die Augen weit aufgerissen und die Lippen bereits aschfahl. Timmie zerrte einen Rollschrank mit den wichtigsten Notfallinstrumenten herbei und stellte den Sauerstoff ein. Die
Pflegehelferin warf mit Schutzkleidung und Schutzbrillen um sich, während eine andere Krankenschwester nach Infusionsschläuchen suchte und Cindy unschlüssig in der Tür stand und schreiend nach dem Labor und dem Röntgengerät verlangte.
»Steckt ihn in eine pneumatische Kompressionshose!«, brüllte Barb. »Sir, können Sie mir sagen, wer auf Sie geschossen hat?«
»Mein Sohn. Er … er war so … wütend …«
Timmies Magen sackte ihr bis in die Kniekehlen. Sie sah die Schmauchspuren an den Rändern des Einschusslochs, sah die Kratzer an den Fingern des Mannes und riss ihre Schere heraus. Völlig automatisch nahm sie die blasse Gesichtsfarbe, die keuchenden, stoßweisen Atemzüge, die schimmernde Schweißschicht auf der Haut des Mannes wahr.
»Es wird alles gut«, versicherte sie ihm mit ihrem patentierten Kleinkinder-und-verschreckte-Tiere-Tonfall.
So schnell sie konnten drehte sie ihn halb auf den Rücken. Keine Austrittswunde. Ein relativ langsames Geschoss also, und das hieß, dass es eine beliebige Anzahl innerer Organe getroffen haben konnte, bevor ihm der Schwung ausgegangen war.Andererseits … das Loch war nicht besonders groß und kein Organ vollkommen zerstört. Schlechte und gute Nachrichten zugleich. Sein Zustand wurde rapide schlechter, aber nicht so rapide, dass sie ihn nicht mehr in eine geeignete Unfallklinik hätten bringen können, wie sie das Memorial mit Sicherheit nicht war.
»Seine Atemgeräusche klingen bedenklich«, sagte Barb mit leichter Panik in der Stimme. »Ich wäre niemals auf Schusswunde gekommen.Woher wusstest du das?«
»Ich wäre niemals auf Lungenembolie gekommen«, erwiderte Timmie mit manischem Grinsen, während sie das Hemd des Patienten seitlich, so weit wie möglich von der
Wunde entfernt, auftrennte. »Hab ich einfach zu selten erlebt. Paul, kannst du mal ein paar Plastiktüten besorgen? Außer mir rührt niemand seine Kleider an.«
»Plastiktüten?«, fragte der mit Katheterschalen und Infusionsbeuteln beladene Pflegehelfer zurück. »Ich habe nicht das Gefühl, als ob er hyperventiliert.«
»Für seine Hände. Um Indizien zu sichern. Wir haben es hier mit einem Verbrechen zu tun. Legt ihm die Infusionen etwas weiter oben an und Barb, steck um Gottes willen keine Schläuche in dieses Loch da.«
Cindy machte irgendwelche Fanfarengeräusche, während sie versuchte, einen Ablaufplan zu erstellen. »Timmie Leary, Kriminal-Schwester im Einsatz!«
»Betrachtet das als praktische Fortbildungsübung, Kinder«, meinte Timmie, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. »Die Polizei wird uns dankbar sein.«
»Wir brauchen eine Computertomographie«, sagte Barb.
»Ich glaube nicht, dass wir so viel Zeit haben«, erwiderte Timmie. »Sieh mal nach, ob es ein Loch gibt, das wir so lange mit dem Finger zuhalten können, bis wir ihn in ein richtiges Krankenhaus gebracht haben. Du suchst das Loch, ich fahre dann mit.« Dann holte sie tief Luft und machte einen gewagten Vorschlag: »Probier’s mal mit der absteigenden Aorta.«
Barb erstarrte und warf einen schnellen Blick auf das Gesicht des Mannes, dessen Blick mittlerweile in weite Fernen gerichtet war. »Ist das dein Ernst?«
»Du bist doch die Chirurgin«, gab Timmie zurück und schloss einen Infusionsschlauch an den Vierzehner-Katheter an, den sie knapp unterhalb des Ellbogens im Arm des Mannes versenkt hatte. »So was müsste für dich doch das Größte sein.«
Barb warf noch einmal einen schnellen Blick auf das bleiche
Gesicht, die keuchenden Atemzüge, das Blutdruckmessgerät, das einen schwankenden diastolischen Blutdruck um die siebzig anzeigte, und schloss die Augen. Dann verlangte sie ein Skalpell und wollte wissen, wann genau der Hubschrauber erwartet wurde.
»Mein Gott!«, flüsterte sie fünf Minuten später, als sie bis zum
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