Todesschlaf - Thriller
blinzelte. »Welche gute Nacht?«
Timmie seufzte. Verstand denn in dieser Stadt niemand mehr etwas von Literatur? »Das ist ein Gedicht«, sagte sie.
»Von Dylan Thomas? Über den Tod. Sie wissen doch: ›Zürn, zürn dem Dunkeln Deiner Sonne Pracht‹?«
Mrs. Everly dachte einen Augenblick lang nach. Nickte. »Ach so.Verstehe.«
Nein, dachte Timmie. Ich wette, nicht. »Kommen wir doch zum Kern der Sache, Mrs. Everly. Sie hätten möglicherweise einen Platz für meinen Vater, für den Fall, dass wir das Geld auftreiben können. Habe ich Recht?«
Mrs. Everlys Gesicht erhielt eine gesundheitgefährdend rote Färbung. »Wir sind die führende Einrichtung des gesamten Bundesstaates, Mrs. Leary-Parker …«
»Und mein Vater wäre sehr gut bei Ihnen aufgehoben. Das weiß ich. Die entscheidende Frage für mich ist, ob ich es mir leisten kann, und ich glaube, ich kann es nicht. Daher brauche ich ein paar klare Aussagen.«
Während der nun folgenden, unangenehmen Stille sah Timmie, wie Mrs. Everly verzweifelt nach einem möglichen Ausweg suchte. Es musste schrecklich sein, einem Menschen gegenüberzusitzen, der mit Schönfärbereien nichts anzufangen wusste.
»Eine Kaution in Höhe von fünftausend Dollar«, stieß sie schließlich hervor und es klang, als hätte man die Worte aus ihr herausgepresst. »Einhundertzehn Dollar pro Tag. Im Gegenzug erhalten Sie die Zusicherung, dass Restcrest Ihrem Vater, unabhängig von seinem Gesundheitszustand, eine allumfassende Pflege angedeihen lässt - Extremsituationen einmal ausgenommen. Da aber einer der Stützpfeiler unseres fortschrittlichen Pflegeprogramms die Forschung ist, lautet eine weitere Bedingung, dass Sie sich einverstanden erklären, Ihren Vater nach … seinem Hinscheiden dem Price University Medical Center zu übergeben, ausschließlich zu Zwecken der Alzheimer-Forschung. Sie müssten sich also keine Sorgen machen, dass er womöglich an der medizinischen Fakultät verwendet würde.«
»Sie wollen nur sein Gehirn.« Timmie nickte. »Das kann ich vollkommen verstehen.«
Conrad T. Jones , schrieb sie und lächelte.
Sehr gute Idee. Conrad war Pathologe hier in der Nähe mit einem Faible für Pharmakologie. Außerdem war er mindestens so misstrauisch wie Timmie und wusste sehr, sehr viel mehr über Gifte als sie.Vielleicht konnte sie ihn ja anrufen, wenn sie aus diesem Treibhaus hier herauskam. Ihn zum Mittagessen einladen. Über Tote reden. Es würde ihr jedenfalls sehr viel mehr Spaß machen als das hier.
»Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen?«, meinte Mrs. Everly jetzt und legte ihren Kugelschreiber beiseite.
Jetzt endlich hob Timmie den Blick. Lächelte. »Ja. Woher bekomme ich das Geld? Ich habe es nämlich nicht.«
»Und es gibt niemanden, bei dem Sie sich Unterstützung holen könnten?«, hakte die Frau nach.
Timmie erstarrte langsam. Ihr Lächeln, das wusste sie, wirkte gezwungen. »Ich glaube kaum.«
»In diesem Fall«, sagte Mrs. Everly und klappte Joes Akte zu, »Sollten Sie vielleicht mit einem Sozialarbeiter sprechen. Der kann Ihnen dabei behilflich sein, Ihren Vater in einer anderen, schönen Einrichtung unterzubringen.«
»So lange es nicht das Golden Grove ist«, sagte Timmie und stand auf. »Denn auf Verwahrlosung und Misshandlung bin ich auch nicht gerade scharf.«
Und dann wurde sie ohne viel Federlesens von den Polstermöbeln auf die billigen Plätze zurückgescheucht.
»Gift«, juchzte Conrad T. Jones eine halbe Stunde später am anderen Ende der Telefonleitung mit unverhohlener Freude. »Mordwaffe Nummer eins aller Passiv-Aggressiven. Sauber, raffiniert, schwer zu entdecken. Lass mal hören, was könnte es denn sein?«
Timmie beugte sich ein kleines Stück zur Tür des Schwesternzimmers
hinaus, um sicherzugehen, dass sie nicht belauscht werden konnte. »Das sollst du mir verraten. Seit etwa einem Monat Magen-Darm-Probleme. Zeitweise Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen, Ausschlag, keine größeren Auffälligkeiten bei den üblichen Untersuchungen. Er wurde mit einer Grippe eingeliefert und hat uns im Leichensack wieder verlassen.«
»Einen Monat lang Beschwerden, hmm? Was ist mit der Leber? Hatte er Haarausfall?«
»Keine fortgeschrittene Zirrhose, obwohl er der Flasche recht zugetan war. Aber wenn ich mich recht erinnere, sah er ziemlich gelb im Gesicht aus. Vermutlich hätten mich seine niedrigen Enzymwerte stutzig machen müssen. Aber ich weiß es eben nicht. In seiner Krankengeschichte war nichts dergleichen vermerkt,
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