Todesschrei
würde ich lieber sterben.« Sie zog den Kopf ein. »Ungeschickte Wortwahl. Also, geh jetzt bitte nach Hause. Zu deiner Familie. Mach ein Nickerchen in deinem Lieblingssessel, und wenn ich dich brauche, weiß ich, wo ich dich finden kann.«
Er presste die Lippen aufeinander. »Aber du hast ihr nichts getan, Sophie.«
»Nein, sicher nicht, aber sieh es mal so: Ich habe doch Vater und Mutter - dich und Katherine. « »Das ist aber doch keine richtige Familie.« Sie lachte leise. »Harry, mein >echter< Vater war der Liebhaber meiner Großmutter, und meine >echte< Mutter ist eine Diebin. Da sind mir du und Katherine doch zehnmal lieber. Im Übrigen durfte ich mir meine Familie aussuchen. Wer kann das schon von sich behaupten?« Er schlang die Arme um sie und drückte sie vorsichtig an sich. »Ich mag deinen Detective.« »Ich mag ihn auch.«
»Vielleicht hast du ja bald deine eigene Familie.« »Vielleicht. Und du wirst der Erste sein, der davon erfährt, versprochen.« Sie schmiegte sich an ihn. »Ich an deiner Stelle würde den Smoking abstauben. Kann sein, dass du bald eine junge Frau zum Altar führen musst.« Er schluckte. »Ich bin immer davon ausgegangen, dass Alex es tun würde. Aber natürlich ist er ja jetzt -« »Sch.« Zum ersten Mal seit ihrer Rettung brannten Tränen in Sophies Augen. »Harry, selbst wenn Alex noch lebte, hätte ich dich gefragt. Und das wusste er auch genau. Ich dachte, du wüsstest das auch.« Sie zog ihn auf die Füße und schubste ihn sanft durch die Tür. »Und jetzt verschwinde.
Ich bleibe noch ein bisschen bei Anna, dann gehe ich auch nach Hause.«
»Mit Vito?«, fragte er hinterhältig.
»Darauf kannst du deine Bette-Davis-Sammlung verwetten.«
Sie winkte ihm nach, dann lächelte sie. Als sich die Fahrstuhltür hinter Harry schloss, öffnete sich die daneben, und Vito trat mit jeweils einem Strauß weißer Rosen in jedem Arm heraus. »Hi.«
Er schenkte ihr das Lächeln, das ihn von modemagazinattraktiv in filmstarumwerfend verwandelte, und ihr Herz vollführte einen Flickflack. »Du bist auf den Füßen«, sagte er.
»Und sogar offiziell entlassen.« Sie bot ihm die Lippen zu einem Kuss, nach dem sie seufzte. »Ich fürchte, die Rosen sind in der Intensivstation nicht erlaubt«, sagte sie. »Tut mir leid.«
»Na, dann sind eben alle für dich.« Er legte sie auf den Tisch des Aufenthaltsraumes, fuhr ihr mit den Händen unters Haar und musterte ihr Gesicht. »Und jetzt die Wahrheit. Wie geht's dir?«
»Gut. Wirklich.« Sie schloss die Augen. »Körperlich jedenfalls. Ab und an denke ich dummerweise daran, was alles hätte passieren können, wenn du nicht rechtzeitig aufgetaucht wärest.«
Er küsste sie auf die Stirn und drückte sie an sich. »Ich weiß.«
Sie legte die Wange an seine Brust und lauschte dem tröstenden Pochen seines Herzens. »Du hast mir noch nicht erzählt, wie ihr mich gefunden habt.« »Hm. Na ja, da war ja noch die alte Frau, die neben Claire Reynolds begraben war. Sie war Kundin derselben Investment-Firma wie die Dame, der das Feld ursprünglich gehört hatte. Wir wussten nicht, wie sie hieß, also versuchten wir, alle Kundinnen aufzuspüren, die in der Nähe von Steinbrüchen lebten.«
Sie zog den Kopf zurück und starrte zu ihm auf. »Steinbrüche?«
»Die Erde, mit denen die Leichen bedeckt waren, stammte aus einem Steinbruch. Aber wir hatten noch immer zu viele Namen, und es dämmerte schon fast. Katherine hatte herausgefunden, dass die unidentifizierte Frau auf dem Gräberfeld Füllungen in ihrem Gebiss hatte, die hauptsächlich in Deutschland vor den sechziger Jahren verwendet worden waren. Wir wollten nicht die wirklichen Kunden anrufen, weil wir befürchteten, dann irgendwann Simon an der Strippe zu haben, also telefonierten wir die Kontaktadressen durch, die die Kunden auf den Verträgen angegeben hatten. Schließlich spürten wir eine Frau auf, deren Vater in den fünfziger Jahren Diplomat in Westdeutschland war. Ihr Name war Selma Crane.«
»Simons Haus gehörte also in Wirklichkeit Selma Crane. Und Selma Crane ist tot.«
»Simon hat sein >Traumhaus< gefunden und dafür getötet. Anschließend hat er ihre Rechnungen weiterbezahlt, so dass es niemandem auffiel. Er hat sogar zwei Jahre lang Weihnachtskarten in ihrem Namen geschickt.« »Er hat mir gesagt, er habe die meisten umgebracht, um sie sterben zu sehen.«
»Und sie zu malen. Auf Leinwand. Er wollte berühmt werden.« Er hob ihr Kinn mit dem Zeigefinger an, und sie blickte ihm
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