Todesspiel
Wir mussten dazu eine breite zufällige Auswahl unter den Automaten treffen und genug Scheine und Münzen durch jeden hindurchlaufen lassen, um eine statistisch exakte Gewinnausschüttung bei jedem Einzelnen zu bekommen.
Ich hatte am ersten Abend unsere Zielautomaten ausgewählt, indem ich ein Nummern-Zufallsprogramm durch das Notebook laufen ließ, das ich eingesteckt hatte. Seitdem liefen wir also jeden Abend im Casino herum und steckten Dollarscheine und Quarter-, Dime- und Nickelmünzen in die ausgewählten Automaten, achteten sorgsam auf Aufpasser mit Boxernasen, und mir ging dabei dauernd der Gedanke an Untreue durch den Kopf.
Kann man einer Stimmung, einem Schuldgefühl untreu werden? Ich meine, die Frau war schließlich aus meinem Leben verschwunden …
Aber Marcys Weggang hatte mich in ein tiefes emotionales Loch gestürzt. Mehrere wirklich interessante Frauen haben sich von mir abgewandt, und ich kann keinesfalls behaupten, dass es immer oder auch nur gelegentlich ihre Schuld gewesen wäre. Es ist immer das Gleiche: Sobald die ersten Blüten der
Romantik verwelken, entdecken die Frauen die Prioritäten in meinem Leben. Früher oder später stellen sie fest, dass sie immer nur an dritter Stelle rangieren werden – nach dem Malen und den Computern.
Wahrscheinlich haben sie Recht, wenn sie mich verlassen, obwohl ich mich mit diesem Gedanken nur schwer anfreunden kann. Aber fraglos habe ich mich mit zunehmendem Alter mehr und mehr auf die Arbeit gestürzt. Manchmal spreche ich tagelang mit keinem Menschen, und ich reagiere unwirsch, wenn eine Frau etwas ganz Normales mit mir unternehmen will, zum Beispiel zum Dinner ausgehen.
Mit LuEllen gab es diese Probleme nicht. Ich kannte sie seit einem Jahrzehnt, hatte mich oft genug stundenlang mit ihr in den verschiedensten Betten gewälzt, und dennoch kannte ich weder ihren echten Familiennamen noch ihre Wohnung, in die sie sich nach unseren gemeinsamen Aktionen zurückzog. Ich wusste alles über sie, nur nicht die grundlegendsten Dinge.
Beim jetzigen Job gingen wir nicht miteinander ins Bett. Ich wusste nicht genau, was zurzeit in ihrem Kopf vor sich ging, aber ich selbst ließ mich einfach treiben, steckte Münzen in Automatenschlitze, dachte ans Malen und manchmal auch an Sex und hörte dem Regen zu, der auf das Dach des Casinos niederprasselte, auf das Dach des Wagens, auf das Dach des Motels, und ich sehnte mich danach, nach St. Paul zurückkehren und meiner wirklichen Arbeit nachgehen zu können.
LuEllen und ich hatten getrennte Zimmer im Rapaport Suites Motel an der Interstate 10 belegt: einer dieser modernen Betonklötze, mit einem freundlichen Indianer-Ehepaar am Empfang, dem permanenten Geruch von Zigarettenrauch in den Vorhängen und einem Ein-Dollar-Zuschlag pro Minute beim Telefonieren; eine nicht gerade trostlose Bleibe, aber
doch ohne jede anheimelnde Atmosphäre. Ich kann mich nachträglich nicht einmal an die Farbe der Wände erinnern, nur daran, dass sie irgendwie düster waren, wohl um Schmutzspuren zu kaschieren. Mein Zimmer war ein Kubus mit angebautem Klo – ein Kandidat für die Darstellung dessen, was sich Existenzialisten unter der Hölle vorstellen. Und wir konnten dieser Hölle kaum einmal entkommen.
Denn vom Tag unserer Ankunft an regnete es in Strömen. Ein Hurrikan tobte durch den Golf von Mexiko, zwar weit unten im Süden, aber er war irgendwo zwischen Jamaika und Yukatan stecken geblieben. Der Sturmwind hielt sich hier bei uns in Grenzen, aber eine enorme Regenfront erstreckte sich weit nach Norden über die Hälfte des Staates Mississippi. Wir waren dazu verdammt, in den Motelzimmern herumzusitzen, soweit wir nicht am Nosere-Fall arbeiteten.
Und es sah nicht gut aus für das Mutter-Tochter-Duo. Die bisher vorliegenden Zahlen besagten, dass sie bei den Automaten den Staat nicht nur um ein Prozent, sondern sogar um rund zwei Prozent beschissen.
Wir hatten gerade einen dreistündigen Einsatz an den Spielautomaten hinter uns, und nachdem wir uns frisch gemacht hatten – was bei mir vor allem aus einer längeren Sitzung auf dem Klo bestand -, kam LuEllen zu mir ins Zimmer, streifte ihre Cowboystiefel von den Füßen, streckte sich auf dem Bett aus und blätterte in einem Barron’s -Magazin.
Sie ist eine schlanke, dunkelhaarige Frau mit ovalem Gesicht, kräftigen Muskeln und einem tollen Hintern, und sie hat einen Hang zu gelegentlichem Kokaingenuss und zu Cowboykleidung, manchmal sogar auch zu einer seltsamen
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