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Todesspiel

Todesspiel

Titel: Todesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.Scott Reiss
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nicht.
    Wenn man älter wird, sollte man eigentlich auch klüger werden. Man nimmt sich vor, sich nie in gewisse Situationen zu bringen. Und dann stellt man fest, dass man immer wieder dieselben Fehler macht. Als er die Waffe in seiner Hand betrachtete, drängte sich der Gedanke eines Kindes aus den Tiefen seiner Erinnerungen an die Oberfläche. Es war die Stimme eines Achtjährigen auf einem Schwimmbagger, der zusah, wie sein betrunkener Vater in ein Boot mit Außenbordmotor stieg, um die Kneipen an Land aufzusuchen.
    Lass mich nicht allein.
    »Sie sind für mich wie ein Sohn«, hatte der Padrone zu ihm gesagt.
     
    Cizinio setzte sich in das kalte Wasser. Der modrige Sumpfgeruch schien ihm die Nase zu verstopfen. Wasser plätscherte gegen seine Brust.
    Das Knattern eines Hubschraubers war zu hören.
    Von Osten her kam der Scheinwerfer näher wie ein Zielfluggerät.
    »Was bin ich bloß für ein Idiot gewesen!«, rief Cizinio aus.
    Der Hubschrauber würde in einer Minute über ihm sein. Cizinio dachte an Nestors ehemaligen Leibwächter, den Mann, den er nach dem Fiasko in dem Restaurant ersetzt hatte. Er erinnerte sich daran, wie Nestor den Mann abserviert hatte. »Tun Sie mir einen Gefallen, ja?«, hatte er leise zu Cizinio gesagt. »Sagen Sie Steve, ich brauche ihn heute Abend nicht mehr.«
    Der Leibwächter hatte groß und stark gewirkt. Aber er hatte wie ein Kind die Schultern hängen lassen, als er Cizinios Worte hörte. Nestor hatte diesen Mann nie wieder erwähnt. Wer konnte wissen, welche Lügen er dem Mann erzählt hatte, um sich seiner Ergebenheit zu versichern.
    Ich habe mich geirrt, Padrone. Du bist nicht nur ein Mensch wie jeder andere auch. Du siehst unsere Schwächen und nutzt sie aus.
    Cizinio musste lachen, während der Hubschrauber näher kam.
    Wenn man ihn verhörte, wenn er derjenige wäre, der mit Handschellen an einen Tisch gefesselt war, würde es niemanden geben, der bestätigen könnte, dass Nestor ihm irgendeinen Auftrag gegeben hatte. Cizinio hatte kriminelle Söldner aufgetrieben. Cizinio hatte sein Gesicht in jedem brasilianischen Restaurant von New York blicken lassen und nach Rubens gefragt. Cizinio hatte die Honorarzahlungen unterschrieben, die SUVs gemietet, die Dienstanweisungen besorgt, Rubens im Verhörraum an der Federal Plaza aufgesucht, mit Rubens geredet, der mit Handschellen an einen Tisch gefesselt war.
    Ich werde niemals mit Handschellen an einen Tisch gefesselt dasitzen.
    Und selbst wenn Cizinio bereit wäre, auszusagen und zu beschreiben, wie sich alles aus seiner Sicht verhielt, gäbe es immer noch die Fotos von allem, was er getan hatte, die vollständig dokumentierte Akte eines schlechten Polizisten, der zum Verbrecher geworden war.
    »In Ihrer Gegenwart fühle ich mich sicher«, hatte Nestor gesagt.
    Und Nestor? Der war längst auf seiner Insel in der Karibik oder in seinem Ski-Chalet in Utah oder auf seiner Ranch in Brasilien, seiner neuen Hazienda. Nestor unterschrieb nie etwas. Nestor hatte immer einen Strohmann. Er hielt sich immer im Hintergrund. Er war einfach ausgeflogen.
    Der Hubschrauber war jetzt über dem Sumpf.
    Cizinio kannte körperlichen Schmerz. Er war als Kind geschlagen worden, hatte gegen die Goldsucher gekämpft und seinen Körper auf hundertfache Weise gestählt. Aber was er jetzt empfand, war ein Schmerz anderer Art. Ein Schmerz, gegen den man sich nicht abhärten konnte. Deshalb mied man Situationen, in denen einem diese Art von Schmerz zugefügt werden konnte. Aber wenn man ihn spürte, war es jedes Mal schlimmer.
    Nestors Macht über ihn lag nicht darin begründet, dass Cizinio ihn liebte oder fürchtete, sondern darin, dass er es sich bis jetzt nicht zugestanden hatte, seinen Padrone zu hassen.
    Cizinio zog seine Waffe. Der Suchscheinwerfer des  Hubschraubers wanderte kreuz und quer über das Schilfrohr. Cizinio zielte auf den Piloten, drückte jedoch nicht ab. Merkwürdig, das weiße Streulicht bewegte sich nach demselben Muster, wie es die Goldsucher auf dem Grund des Flusses benutzten.
    Der Schweinwerfer streifte links an ihm vorbei und verfehlte ihn um einen Meter.
    Ich kann nirgendwohin.
    Das Scheinwerferlicht zögerte zu seiner Rechten, wo sich das Schilfrohr plötzlich bewegt hatte. Im hellen Lichtkegel war der silbrige, bucklige Rücken eines Opossums zu sehen, das auf sandiges, trockenes Land flitzte. Im Dunkeln streifte ein ölig riechender Luftzug Cizinios Gesicht.
    Der nasse Stahl der Glock berührte seine Wange.
    Jetzt huschte

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