Todesspiel
USA und pocht auf seine Unschuld.«
»Nestor macht seinen skrupellosen Sicherheitschef für Schießerei und Mord verantwortlich. Behauptet, nichts von groß angelegten Verbrechen gewusst zu haben.«
Die langen, marmorverkleideten Korridore des großen Gebäudes waren voller Leute, die so geleckt aussahen wie die Wände. In dem Raum, in dem die Anhörung stattfinden sollte, lag ein blauer Teppichboden mit Adlermuster, Fernsehkameras waren aufgebaut, und für das Publikum gab es nur Stehplätze. Ein Polizist in weißem Hemd begleitete Rubens, Estrella und Christa zur ersten Reihe und platzierte sie vor Tommy und Jamie.
Jamie fragte Estrella: »Wie geht’s dir? Alles in Ordnung?«
Tommy ergriff Rubens bei den Schultern: »Ich habe eine Idee. Du und ich, wir beide werden in Astoria ein gemeinsames Büro aufmachen! Jede Menge Einwanderer warten schon auf die Hilfe, die wir ihnen zukommen lassen können. Die Leute vertrauen dir, Rubens! Wir werden Partner! – Was hältst du davon?«
»Mal sehen!«
»Und wie fühlt sich das an, Amigo, wenn dein netter Kongressabgeordneter sich dafür einsetzt, dich und deine Mitbewohner zu US-Bürgern zu machen?«
»Lieber wäre mir gewesen, man hätte Rio Branco in Ruhe gelassen.«
Es würden Gerichtsverhandlungen in New York stattfinden und weitere Anhörungen. Vorne im Raum stand die Senatorin von Pennsylvania mit ernster und besorgter Miene; um die sechzig, brauner Hosenanzug, kurzgeschnittenes blondes Haar, blaue Augen, eine Perlenkette um den faltigen, von roten Flecken übersäten Hals. Sie wandte sich an die Anwesenden: »Humanitäre Hilfe hat sich zu einem ertragreichen Geschäft entwickelt. Aber dieses Geschäft unterliegt bisher nicht den in anderen Bereichen üblichen Kontrollen, die Betrug verhindern sollen.«
Sie las eine vorbereitete Erklärung ab, während eine Sekretärin hinter ihr mitstenografierte. »Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich vierzig Prozent der Lebensmittelhilfslieferungen in den Sudan unterschlagen werden. Auch in Ruanda und Haiti verschwindet ein hoher Prozentsatz der Hilfsgüter regelmäßig in einem schwarzen Loch.«
Sie schaute Rubens an. Er hatte sich mit ihr in ihrem Büro getroffen, hatte ihr berichtet, was er über Rio Branco wusste, was er in dem Wandschrank mitgehört und was Cizinio gesagt hatte.
Sie fuhr fort: »Seit dreißig Jahren machen wir uns mitschuldig, indem wir wegsehen, wenn Gelder verschwinden, und einfach annehmen, dass sie in die Taschen korrupter Politiker und betrügerischer Vertragsunternehmen im Ausland fließen. Jetzt stellen wir fest, dass immense Summen unser Land gar nicht erst verlassen.«
Die Senatorin schüttelte den Kopf. Rubens wusste, dass sie extrem konservativ war und am liebsten alle humanitäre Hilfe in andere Länder einstellen würde. Er konnte nur hoffen, dass das nicht passieren würde, dass die Hilfslieferungen besser kontrolliert, aber weiterhin durchgeführt würden.
Kameras surrten und Blitzlichter zuckten.
»Die Weltbank verfügt nur über dreißig Inspektoren in ihrer Überprüfungskommission. Dreißig für die ganze Welt. Und diese dreißig Leute verbringen die Hälfte des Jahres in Washington.«
Rubens hatte plötzlich wieder die Privatflugzeuge vor Augen, die am Tag von Rosas Tod in Rio Branco gelandet waren. Er sah die Männer, die ausstiegen: nervöse Geschäftsleute in teuren Anzügen; sie hatten Angst gehabt, das wusste er jetzt, weil der Gouverneur drauf und dran gewesen war, ihre Kredite, Prämien, Aktien und Anteile zu streichen.
»Diese Anhörungen dienen dazu, die Wege der Gelder zurückzuverfolgen. Unser erster Zeuge, ein Mitarbeiter des Center for Responsible Finance, wird …«
Rubens bemerkte, dass jemand den Mittelgang heruntergekommen war und neben ihm kniete. Bill Rush, ein Journalist der New York Times, hatte ihn während der vergangenen Monate einige Male interviewt. Rush versuchte, Rubens’ Aufmerksamkeit zu erlangen. Er war ein hochgewachsener, missmutig dreinblickender Mann mit dichtem, lockigem Haar.
Vorne sagte der Zeuge des Center for Responsible Finance gerade: »Es ist leicht, ein Gebot für eine Ausschreibung zu manipulieren. Die Firmen der Nestor- Gruppe haben ihre Bilanzen gefälscht. Sie haben andere Firmen geschmiert, damit sie nicht mitbieten. Sie haben eigene Berater beschäftigt. Sie haben Teilleistungen vorgetäuscht, die nie erbracht wurden; fünfundzwanzig Prozent hier, fünfundzwanzig Prozent dort. Sie haben in Übersee
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