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Todesspiel

Todesspiel

Titel: Todesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.Scott Reiss
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gerade aus dem Fenster klettern wollte, hörte er Estrellas Stimme von unten. Er blieb wie angewurzelt stehen.
    »Papa! Mein Gott, wo bist du?«, rief sie.
    »Hier bin ich immer mit meinem Mann hergekommen, als wir uns gerade kennengelernt hatten«, erzählte Christa Salazar Jared Fulvio zur selben Zeit. Sie saßen auf einer Bank im Children’s Sculpture Garden vor der Kathedrale St. John the Divine in Manhattan, sahen zu, wie Spürhunde an Sträuchern schnüffelten, und zählten die Minuten, bis der Trauergottesdienst für die Familie Evans begann. Evans’ Schwägerin, mit der sie sich unterhalten wollten, wurde zu dem Gottesdienst erwartet.
    Polizei und FBI hatten die Kathedrale die ganze Nacht über bewacht. Um fünf Uhr morgens hatten Streifenwagen die Amsterdam Avenue in beiden Richtungen gesperrt. Christa hatte mehrere Armeescharfschützen in der größten Kathedrale der Welt verschwinden sehen. Wahrscheinlich hockten sie inzwischen wie menschliche Wasserspeier auf den steinernen Brüstungen und betrachteten Christa und Jared durch ihre Zielfernrohre.
    »Jim liebt diesen Garten. Er sagt, er regt seine Phantasie an, hilft ihm, seine Bücher zu schreiben.«
    In Innern der Kathedrale suchten weitere Spürhunde zwischen den leeren Bankreihen und um die Säulen herum, schnüffelten im Atrium und in den Seitenkapellen »der sieben Zungen«, die den Einwanderern der Stadt gewidmet waren – die Bonifaziuskapelle für die Deutschen, die Ansgarkapelle für die Skandinavier, die Jakobskapelle für die Spanier, die Ambrosiuskapelle für die Italiener und so weiter.
    »Walsh ist zu sehr darauf fixiert, dass wir es mit Terroristen zu tun haben«, sagte Christa, »um andere Spuren zu verfolgen.«
    Seit anderthalb Tagen gingen sie von Tür zu Tür, redeten mit Evans’ Nachbarn, Verwandten, seinen Freunden aus dem New York Health Club, dem Yale Club, dem Westchester Country Club und den gemeinnützigen Einrichtungen, denen er Geld gespendet hatte. Sie waren die Einzigen, die das persönliche Umfeld des Opfers überprüften.
    Und alle, die sie befragten, waren voll des Lobes für Evans: »Er war so großzügig«, »Er war immer bereit zu helfen«. Die meisten Leute waren der Meinung, die Ehe der Evans’ sei perfekt gewesen.
    »Verdammt, vielleicht war es ja tatsächlich so«, sagte Jared, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
    Nach dem Trauergottesdienst und dem Gespräch mit der Schwägerin war Christa genau hier in diesem Garten mit Jim verabredet, um sich zu unterhalten. Wahrscheinlich war er gerade auf dem Weg in die Stadt und hatte Tim bei den Großeltern gelassen. Jim glaubte immer noch, dass man mit Reden Differenzen aus der Welt schaffen könnte. Die schafft man nicht aus der Welt, dachte Christa. Man lebt damit.
    »Du hörst dich manchmal an, als wärst du neidisch auf Evans«, sagte sie zu Jared.
    »Darauf, dass er eine perfekte Ehe geführt hat? Wer wäre das nicht?«
    »Ehen sind nur in der Phantasie anderer Leute perfekt«, entgegnete sie. Dann wechselte sie das Thema, weil sie es nicht länger ertrug, die Frage in seinen warmen braunen Augen zu sehen.
    »Paula St. James konnte Honor auf den Tod nicht ausstehen. Das hat mir jedenfalls gestern eine von An- nie Evans’ Kaffeeklatschfreundinnen erzählt«, sagte sie.
    Die Schwägerin war angeblich am Tag zuvor aus Prag gekommen, wo sie als Diplomatin tätig war. Inzwischen war die Sonne aufgegangen, und der Asphalt auf der Amsterdam Avenue dampfte. Jared sah gut aus in seinem dunkelgrauen Anzug, dem weißen Hemd und der Krawatte. Er war immer sehr geschmackvoll gekleidet. Jim, der zu Hause arbeitete, lief tagsüber meist in einem alten Bademantel herum und trug einen Kopfhörer, so groß wie der Hörschutz von Flugzeugmechanikern, um die Straßengeräusche auszublenden. Anfangs hatte sie seine Aufmachung originell gefunden, jetzt kam sie ihr nur noch lächerlich vor. Jared hingegen, der ehemalige Schwimmprofi, war immer noch gebaut wie ein Athlet – breite Schultern, schmale Hüften. Und diese Augen. Sie fragte sich, ob sie schon immer so traurig dreingeblickt hatten oder ob das das Ergebnis seiner unglücklichen Ehe war.
    Was ist los mit mir? Seit wann vergleiche ich die beiden miteinander?
    Jared sagte: »Auf dem Revier mögen sie uns ja vielleicht zu Parias abgestempelt haben, aber mit unseren Dienstausweisen kommen wir in ganz New York überall rein. Selbst in diese Kirche hier, wo die geilste Show der Stadt stattfindet.«
    Wir, hatte er gesagt. Meinte er sie

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