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Todesspiel

Todesspiel

Titel: Todesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.Scott Reiss
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beide als Kollegen? Oder vielleicht mehr?
    Um sich abzulenken, sagte sie: »Wusstest du, dass das Wort ›Zungen‹ im Buch der Offenbarung »Nationalitäten bedeutet? Das hat Jim mir erzählt.«
    Ich rede über Jim, um Jared auf Distanz zu halten.
    Sie sagte: »Er möchte so gern wieder alles in Ordnung bringen zwischen uns.«
    In Wirklichkeit hatte Jim am Vorabend am Telefon gesagt: »An dem Fall arbeiten tausend Ermittler. Wenn du aussteigst, spielt das überhaupt keine Rolle.«
    »Bestimmt fehlst du ihm«, sagte Jared.
    »Er fehlt mir auch.«
    »Meine Töchter sind große Fans seiner Bücher. Ihr Lieblingsbuch ist das mit dem sprechenden Frosch. Wie kommt Jim bloß immer auf diese absurden Geschichten?«
    Ja, dachte sie. Was sprechende Frösche und Kätzchen anging, war Jim unschlagbar. Aber im wirklichen Leben legte er weniger Phantasie an den Tag. Bei ihrem letzten Telefongespräch um kurz nach elf hatte er ihr vorgeworfen, sie würde die Familie »vernachlässigen«, wenn sie an einem Fall arbeitete. »Um Fremde machst du dir mehr Gedanken als um uns«, hatte er gesagt. Erschöpft, einsam und verärgert hatte sie geantwortet: »Du benimmst dich wie ein kleines Mädchen.«
    Worauf er gekontert hatte: »Und du bist John Wayne mit Fotze.«
    Und sie hatte ihn angeschrien: »Wag es nicht noch einmal, so was Ordinäres zu sagen!«
    »Ich dachte, du wolltest einen richtigen Mann.«
    »Glaubst du etwa, so ein Wort in den Mund zu nehmen, macht dich zu einem richtigen Mann? Du tust mir nur noch leid«, hatte sie gefaucht, verzweifelt darüber, wie hässlich das Gespräch wurde, aber dennoch unfähig, ihren Zorn zu zügeln. »Ich habe monatelang nicht gearbeitet! Vor weniger als einer Woche habe ich wieder angefangen! Wie kannst du so mit mir reden?«
    Nichts entspannt mehr als ein ordentlicher Streit.
    Und jetzt hatten die Ermittlungen sie ausgerechnet hierher geführt, mitten in ihre Erinnerungen. Sie saß in dem Garten voller Phantasiegeschöpfe und sah Männer in dunklen Anzügen wie Schatten zwischen den Kinderskulpturen umherschleichen. Es war Jim gewesen, der ihr die bronzenen, auf Sockeln ruhenden Bücher gezeigt hatte, auf deren aufgeschlagenen Seiten in einer Kinderhandschrift Zitate von John Lennon standen – Give Peace a Chance. Es war Jim gewesen, der sie auf den Schneeleoparden und den höflichen Elefanten aus Bronze aufmerksam gemacht hatte. Jim kam gern hierher zum Arbeiten und tauchte in seine Phantasiewelt ein, in der es keine Probleme gab. Und jetzt suchten Schäferhunde hinter steinernen Bänken nach Bomben im Efeu. Eichhörnchen tollten herum, während auf der anderen Seite der Amsterdam Avenue, hinter den Polizeiabsperrungen, eine Gruppe von Skinheads vor einer ungarischen Bäckerei demonstrierte. Auf dem Transparent, das sie hochhielten, stand: LIEBT AMERIKA ODER HAUT AB.
    Jared sagte: »Es war ein Fehler, dass Walsh die Botschaft an der Wand publik gemacht hat. Damit gießt er nur Öl ins Feuer.«
    »Seit Esteban verschwunden ist, steht er noch mehr unter Druck. Wenn er nicht bald ein Ergebnis vorweisen kann, ist er weg vom Fenster.«
    Die Skinheads auf der anderen Straßenseite hatten jemanden umringt. Christa sah Fäuste fliegen. Sie stand auf, um einzugreifen, doch uniformierte Polizisten stürmten in die Menge, um die Prügelei zu stoppen.
    »Ich hoffe bloß, dass die Schwägerin hier aufkreuzt.«
    Alle Viertelstunde schlugen die Glocken, wie um eine weitere Phase in der Vorbereitung des großen Ereignisses anzukündigen. Um 09:00 Uhr begannen die großen SUVs vorzufahren, in denen die privaten Sicherheitsleute des Gouverneurs und eines Senators eintrafen. Um 09:15 Uhr hatte sich an den Absperrung eine ganze Pressemeute versammelt. Um 10:00 Uhr begannen die Trauergäste – selbst Prominente brauchten eine schriftliche Einladung –, durch die Metalldetektoren zu treten. Um 10:15 Uhr traf der Bürgermeister ein und gleich darauf der Kinderchor der Dreifaltigkeitskathedrale aus Port-au-Prince, Haiti. Fünfzig Mädchen und Jungen in blauen Satingewändern gingen mit großen Augen durch die Gasse aus Schaulustigen.
    Da ist sie, dachte Christa, als sie die schlanke rothaarige Frau in Schwarz erkannte. Begleitet von ihrem wesentlich älteren Ehemann, stieg Paula St. James die Stufen der Kathedrale hoch. »Gehen wir«, sagte Christa zu Jared.
    Wie geplant stieg der rechtskonservative Reverend Arnes Dillon Thicke um 10:30 Uhr auf die Kanzel wie ein Kapitän auf die Brücke seines Schiffs. Die

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