Todesspiel
Herzen, rief er laut aus: „Tommy!“
„Die Wand“, flüsterte Tommy. „Die Wand!“
THE NESTOR GROUP, stand da in Goldlettern. Es war das O in dem Wort „Group“, das ihm aufgefallen war, denn es war geformt wie ein Spatenblatt mit einem kleinen Kreuz in der Mitte.
„Verdammt“, murmelte Tommy.
„Von der Firma hab ich noch nie gehört“, sagte Rubens.
„Aber es ist eine Spur! Wir werden uns schlaumachen und alles über diese Firma in Erfahrung bringen.“ Rubens sagte plötzlich wieder voller Hoffnung und hellwach: „Glaubst du, die haben ihren Sitz in New York in irgendeinem 47. Stock?“
8
Rubens und Tommy fuhren nach Astoria, wo der Anwalt in einem gemütlich eingerichteten Backsteinhaus wohnte. Um Mitternacht saßen sie im ersten Stock in Tommys Arbeitszimmer über den Laptop gebeugt. Jamie schlief am anderen Ende des Flurs. Die Klimaanlage sorgte für angenehme Kühle. Als Lichtquellen dienten nur der stummgeschaltete Fernseher und der Computerbildschirm. In dem Büro standen IKEA-Regale mit reihenweise Fotos von Tommy und dankbaren Mandanten, außerdem ein Sofa, das unter Stapeln von Gesetzestexten und Aktenordnern ächzte. Auf dem unaufgeräumten Schreibtisch stand das Essen aus dem Schnellimbiss, das sie sich unterwegs besorgt hatten. Tommy liebte Unordnung.
„Ruf mal die Website der Nestor-Gruppe auf“, sagte Rubens.
Tommy grinste. „Da werden wir bestimmt die ganze Wahrheit erfahren.“
„Zumindest werden wir dort erfahren, womit die Firma zu tun hat“, entgegnete Rubens ungehalten.
In Rio Branco beäugten die Schlaflosen einander um diese Stunde bei Feuerschein oder im Licht von Petroleumlampen. Hier in New York gab es zwar Elektrizität, aber die sorgte auch nicht dafür, dass man die Wahrheit besser erkennen konnte, dachte Rubens bei sich. Zwischen Rubens’ altem Heimatort und seinem neuen Zuhause lag nur eine Stunde Zeitdifferenz. Tommy sagte: „Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“
Auf dem Bildschirm las Rubens: „Für eine zukunftsträchtige Welt“ über einem Foto von einem Wolkenkratzer aus Stahl und Glas. „Unser Firmensitz. New York City.“ In einem Bogen über dem Ganzen waren Fotos von lächelnden Gesichtern angeordnet, Mitarbeiter der Nestor-Gruppe: ein Schwarzer in Anzug und Krawatte, ein Weißer in einem Laborkittel, eine Asiatin, die stolz eine neue Brücke betrachtete, ein arabischer Arbeiter auf einer Baustelle in der Wüste.
„Das Richtige zu tun, ist unser Firmenmotto“, las Rubens.
„Knallharter Journalismus von seiner besten Seite“, bemerkte Tommy.
„Wir respektieren unsere Kunden, unsere Investoren und unsere Geschäftspartner. Wir stellen fähige Arbeitskräfte.“
„So viel Selbstkritik hab ich ja noch nie erlebt“, sagte Tommy. „Die scheuen sich wirklich nicht, die Probleme beim Namen zu nennen.“
„Wir glauben an Integrität und Aufrichtigkeit.“
„Rubens, wenn ich das lese, verspüre ich gleich den Wunsch, ein besserer Mensch zu werden. Ich nehme alles Schlechte zurück, was ich jemals über irgendjemanden gesagt -“
„Halt die Klappe, und lass mich lesen“, sagte Rubens. „Nestor ist eine der weltgrößten privaten Firmen für Planungs- und Bauwesen und für Projektmanagement im Regierungsauftrag. Die haben weltweit dreißig Tochtergesellschaften und über neunundzwanzigtausend Angestellte.“
Tommy stöhnte. „Großartig. Dann können wir uns die Gesichter ja eins nach dem anderen vornehmen.“ Rubens las: „Wir bauen und betreiben Kraftwerke, Ölraffinerien, militärische Projekte und Straßen. Jack Nestor hat die Firma 1982 gegründet, um verarmten Ländern der Dritten Welt zu helfen …“
„Dein Anwalt rät dir, etwas zu essen, bevor du zusammenbrichst.“
Tommy machte sich gierig über seine gegrillten Meeresfrüchte her. Er frühstückte um drei Uhr nachmittags und aß nach Mitternacht zu Abend.
Rubens’ scharf gegrilltes Hähnchen nach Cajun-Art wurde allmählich kalt.
„Scheiß auf die Website. Lass es uns mal bei der Vierten Gewalt versuchen“, sagte Tommy.
Mit zwei Wurstfingern tippte Tommy eine Adresse ein, und gleich darauf erschien der LexisNexis-Informationsservice. Die Webseite bot Zugang zu Artikeln und Berichten aus Zeitungen und Zeitschriften aus der ganzen Welt, erklärte er Rubens.
„Such dir eine Überschrift aus, Rubens, dann rufe ich den Artikel auf.“
„Nestor erhält von USAID Exklusivvertrag über 710 Millionen Dollar für den Wiederaufbau in
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