Todesspiel
natürlich entgegnen würde: »Wenn du wirklich daran interessiert wärst, unsere Ehe zu retten, Christa, dann bräuchten wir gar keinen neuen Termin.« Er sagte immer, das Leben sei das, was man daraus mache. Man könne sich mit Hassdelikten beschäftigen oder mit schönen Dingen.
Also sagte sie dem bescheuerten Anrufbeantworter, sie hoffe sehr, dass er in der Stadt bleiben und irgendwo auf sie warten würde. Dass ihr das Treffen sehr viel bedeute und dass sie, wenn er wollte, die ganze Nacht miteinander reden könnten, über jedes Thema, so lange er wollte.
»Zum Abendessen gehen wir ins Pampa, dein Lieblingsrestaurant. Ich lade dich ein«, sagte sie, bevor sie auflegte. Dann stieg sie mit Paula St. James und deren Ehemann in die Limousine. Jetzt galt Evans’ Schwägerin ihre volle Aufmerksamkeit.
»Ich wette, dieser Dreckskerl war in irgendeine Schweinerei verwickelt«, sagte Paula, als der Wagen sich in Bewegung setzte. »Ich wette, deswegen mussten meine Schwester und ihr Kind sterben.«
9
Seien Sie freundlich und respektvoll«, sagte Cizinio, dessen Stimme in der Lagerhalle widerhallte. »Sagen Sie, dass Rubens’ Mutter im Sterben liegt und dass sie ihren Sohn und ihre Enkelin sehen will. Werfen Sie großzügig mit Geld um sich.«
Bei seinen Zuhörern, die eingeflogen worden waren, um die Teams zu verstärken, die bereits mit der Suche begonnen hatten, handelte es sich um ein Dutzend abgebrüht wirkender Frauen und Männer, die auf Klappstühlen vor ihm saßen. Diejenigen, die die einfachen Kneipen abklappern sollten, waren lässig gekleidet: Jeans, Sportschuhe, T-Shirts. Diejenigen, die vornehme Hotels oder Restaurants aufsuchen sollten, in denen vorwiegend Brasilianer verkehrten, trugen elegante Anzüge und Kostüme. Und wieder andere, die sich die U-Bahn-Stationen in den brasilianischen Vierteln vornehmen sollten, waren ganz unterschiedlich ausstaffiert, um die unterschiedlichsten Leute anzusprechen. Vor dreißig Jahren hätte man sie als Söldner bezeichnet. Als Angestellte der Nestor-Gruppe beziehungsweise einer südamerikanischen Tochtergesellschaft arbeiteten sie normalerweise mit einheimischen Armeeeinheiten zusammen, um aufständische Bauern oder lästige Journalisten in Schach zu halten.
»Sobald wir ihn gefunden haben, geben wir uns als Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde aus. Rubens ist illegal hier, und Agenten der Einwanderungsbehörde brauchen keine richterliche Verfügung, um Verhaftungen oder Hausdurchsuchungen vorzunehmen. Die können jeden festnehmen, und die Refugiados wissen das. Sie werden also keinen Widerstand leisten.«
Draußen waren Schiffssirenen zu hören, startende und landende Flugzeuge, Maschinenlärm, der von Handel und Wandel kündete, Elemente des globalen Tierlottos. Durch das offene Tor konnte man den Regen sehen, der auf den New Yorker Hafen niederprasselte, Manhattan jedoch noch nicht erreicht hatte. Schleppkähne und mit Maschinengewehren ausgerüstete Schnellboote der Küstenwache pflügten durch das ölige Wasser. Selbst das Klima war heute vom Äquator in den Norden gekommen.
»Denken Sie daran, dass Rubens mit einem Terroristennetzwerk in Verbindung steht.«
Nestor hatte Cizinio gut geschult. Söldnern musste man immer klarmachen, dass sie für Prinzipien arbeiteten. Man musste ihnen Vorwände liefern, damit sie ihre Aufgabe ordentlich erfüllten.
»Sollten Sie in Schwierigkeiten geraten, rufen Sie mich an.«
In Nestors Wohnung im 47. Stock und während der Reisen mit seinem Chef hatte Cizinio sehr viel gelernt. Er war im Schlamm aufgewachsen, buchstäblich wie ein Tier im Fluss. Manchmal träumte er von diesem nassen, dunklen Ort, an den sein Vater ihn geschickt hatte, um zu tauchen und die Arbeit anderer Goldsucher auszuspionieren. Oder um die Leinen einer Draga zu kappen. Im Alter von acht Jahren, mager und verängstigt, hatte Cizinio seine Lunge mit Luft gefüllt und war im Fluss getaucht, um zu sehen, ob es ihm gelang, den Männern eines anderen Boots, die in schweren Bleianzügen über den Grund schlurften, mit einem Messer die Sauerstoffschläuche zu durchtrennen. Es war ein brutales Leben gewesen. Im Fluss gab es Kaimane. Von dem Quecksilber und dem Öl bekam er Kopfschmerzen und Fieber. Wenn sein Vater wütend oder frustriert war oder Drogen genommen hatte oder sich einfach amüsieren wollte, bezog Cizinio Prügel. Jeder Schlag war Cizinio unvergesslich im Gedächtnis hängen geblieben und hatte seine Wut wachsen lassen.
Die Ersten, die
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